Rechtsansicht - Susanne Fürst

Susanne Fürst hält die Entscheidung des Verfassungsgerichts gegen das Kopftuchverbot in Volksschulen für katastrophal, weil die Unterdrückung von Mädchen damit legitimiert wird.

12. Dezember 2020 / 13:08 Uhr

Kopftuch-Urteil ist klarer Sieg für radikalen Islam

Wenn sich der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ümit Vural, über eine höchstgerichtliche Entscheidung freut, muss uns das nachdenklich stimmen. Denn es liegt der Verdacht nahe, dass hier wieder ein Schritt in Richtung der zunehmenden Islamisierung unserer Gesellschaft gesetzt wurde und wir wieder einmal zurückgewichen und eingeknickt sind.

Kommentar von Dr. Susanne Fürst

Vural freut sich über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, der das Kopftuchverbot in Volksschulen kippte. Er erklärte, dass die IGGÖ sich gegen Zwang jeglicher Form ausspreche. Er sei für die Wahlfreiheit der Mädchen und Frauen. Diese sollen sich gegen das Tragen des Kopftuchs entscheiden können, aber genauso für das Kopftuch, wenn sie es als integralen Bestandteil ihrer gelebten Glaubenspraxis verstehen. Wohlgemerkt spricht Herr Vural hier über Volksschulkinder, sechs- bis zehnjährige Mädchen, die sich offensichtlich völlig unbeeinflusst von ihren Eltern und ihrem Umfeld völlig freiwillig für das Kopftuch entscheiden.

Katastrophale Entscheidung für liberale Gesellschaft

Herr Vural kann damit wahrlich einen großen Erfolg verbuchen, denn die Helfershelfer der islamischen Interessen in der österreichischen Politik und am Höchstgericht erfüllten willig ihren Dienst. Für die westliche, liberale Gesellschaft und für die Gleichberechtigung der Frau war es hingegen eine katastrophale Entscheidung.

Verlangt wurde die Aufhebung des Kopftuchverbots von zwei Kindern und deren Eltern, die im Sinne der sunnitischen bzw. schiitischen Rechtsschule des Islam erzogen wurden. Das Verbot sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Religionsfreiheit und religiöse Kindererziehung und auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, weil der Hidschab verboten sei, die jüdische Kippa oder die Patka der Sikhs aber nicht.

VfGH sieht Kopftuchverbot als Bildungshindernis

Das Gericht folgte dem Antrag. Der Verfassungsgerichtshof sieht den Gleichheitsgrundsatz als verletzt an, da die Regelung eine bestimmte Religion – den Islam – ohne nähere Begründung herausgreift. Dies würde dem Gebot der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates widersprechen. VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter schließt sich der gängigen Gutmenschen-Rhetorik an, indem er kritisiert, dass das Kopftuchverbot „islamische Herkunft und Tradition als solche ausgrenzt“. Das Herausgreifen einer speziellen Bekleidungsvorschrift würde gezielt eine bestimmte Gruppe von Menschen stigmatisieren. Die hohen Richter sind der Meinung, dass das Kopftuchverbot das Risiko in sich birgt, muslimischen Mädchen den Zugang zur Bildung zu erschweren oder sie gesellschaftlich auszugrenzen.

Verhüllung von Mädchen ist nicht gleich wie andere religiöse Sitten

Der Gleichheitsgrundsatz verlangt keineswegs, dass alles gleich behandelt wird, sondern, ganz im Gegenteil, muss nur Gleiches gleich, Ungleiches hingegen ungleich bzw. differenziert behandelt werden. Es ist sehr wohl mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar, die Verhüllung der Frauen und Mädchen als Teil der islamischen Tradition herauszugreifen und sie in den Schulen für Volksschulkinder zu verbieten. Das Kopftuch und die Verschleierung haben ihren Grund darin, dass Mädchen und Frauen das sexuelle Begehren des Mannes nicht wecken dürfen. Frauen, die sich nicht verhüllen, gelten dieser Logik nach als Freiwild. Das heißt, die Bekleidungsvorschrift der Verschleierung richtet sich nach dem Mann aus und hat mit freier Entscheidung der Frau nicht das Geringste zu tun. Wenn die Wahl lautet, Kopftuch zu tragen oder als unanständiges Mädchen zu gelten, bleibt nicht viel von freier Entscheidung über. Das ist echte Diskriminierung.

Kreuz und Kippa sind keine Symbole der Frauenunterdrückung

Bei diesem Thema herrscht allerdings Stille, während sonst überall sofort Benachteiligung, Diskriminierung, Rassismus und Sexismus geschrien wird. Es gibt genug Gründe, die islamische Verhüllung herauszugreifen und zu verbieten, da ein getragenes Kreuz an der Kette um den Hals oder die jüdische Kippa wohl kaum damit vergleichbar sind. Weder das Kreuz noch die Kippa besagen, dass die Träger sich dem anderen Geschlecht unterzuordnen haben und sie sind in ihrem Erscheinungsbild wesentlich zurückhaltender. Keine andere Religion greift unsere liberale Werteordnung in einem vergleichbaren Ausmaß an wie der Islam mit seinem völlig anderen Konzept von einem Zusammenleben.

Welches sechs- bis zehnjährige Mädchen trägt freiwillig – aus eigenem Entschluss – ein Kopftuch? Hier von einem freiwilligen, selbstbestimmten Entschluss zu sprechen, ist völlig unrealistisch. Dies entscheidet ausschließlich ihr familiäres Umfeld für sie.

Muslimische Väter pfeifen auf „Aufklärungsarbeit“

Die Gutmenschen erklären stets, statt einem Kopftuchverbot müsse man „Aufklärungsarbeit in den Schulen“ leisten. Das wird die Familien dieser Kinder sicher stark beeindrucken. Diese Familien, insbesondere Väter; warten sicher nur auf Erziehungstipps von den Lehrerinnen und auf Ratschläge, dass sie ihre Töchter doch etwas liberaler erziehen sollen. Allerdings wäre Voraussetzung, dass die muslimischen Väter mit den Lehrerinnen und Betreuerinnen ihrer Kinder überhaupt sprechen. Dies geschieht nämlich in unzähligen Fällen nicht, weil die Väter diese nicht anerkennen und respektieren, weil sie Frauen sind.

Diese Entscheidung des Höchstgerichts ist daher ein katastrophales Signal an sämtliche Kinder und an unsere Gesellschaft insgesamt. Wir leben unseren Kindern vor, dass wir unsere Werte wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau sofort in die Luft sprengen, wenn sie herausgefordert werden. Statt unsere Traditionen zu verteidigen, verstecken wir uns hinter einer völlig falsch verstandenen angeblichen Toleranz. In Wahrheit ist es mangelnder Mut.

Kopftuchzwang, nicht Kopftuchverbot stigmatisiert Frauen

Die Behauptung des VfGH-Präsidenten, mit dem Kopftuchverbot würde man die islamische Herkunft und Tradition ausgrenzen, ist nichts anderes als ein In-die-Knie-Gehen vor einer Gemeinschaft, die im Gegensatz zu uns ihre Kultur mit Zähnen und Klauen verteidigt. Und wo diese zugewanderte Kultur mit unserer kollidiert, geben wir nach, anstatt Integration einzufordern. Nicht das Kopftuchverbot stigmatisiert eine bestimmte Gruppe von Menschen, sondern das Verschleierungsgebot stigmatisiert die betroffenen Mädchen.

Wir haben jedes Recht dazu, in den Bildungsinstitutionen auf dieses aggressive Symbol der Unterdrückung der Frau zu verzichten und es zu verbieten. Es ist sogar unsere Verpflichtung. Wir müssen den muslimischen Mädchen die Chance geben, zu Frauen heranzuwachsen, die sich mit unserer Kultur und Gesellschaft identifizieren können. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass unserer Kinder es nicht als normal vorgelebt bekommen, dass einige Mädchen in der Schulklasse verhüllt sind; dass es normal ist, dass diese am Sport- oder Schwimmunterricht nicht teilnehmen können

Der Islamismus zwingt Europa seine Werte auf

Der Islamismus versucht, Europa seine Werte aufzuzwingen, und wir spielen mit. Integration hieße jedoch, dass wir die Zuwanderer in unser bewährtes Wertesystem integrieren und nicht, dass wir unser Wertesystem aufgeben. Es ist der Islam, vor dem die Politik und die Gerichte in die Knie gehen. Keiner anderen Religion würden wir zugestehen, dass sie ihre Frauen in dieser Weise unterdrücken. Man stelle sich vor, katholische Priester würden verlangen, dass Mädchen und Frauen nur bodenlange Gewänder tragen dürfen. Der Aufschrei wäre unfassbar.

Im Falle des Islam werden aus falscher Rücksichtnahme auf eine äußert selbstbewusst auftretende Religion Frauen- und Mädchenrechte geopfert. Es ist die Verpflichtung unserer öffentlichen Institutionen, jungen Mädchen einen geschützten Raum in den Kindergärten und Schulen zu bieten, wo sie genauso frei sein können wie jedes andere Mädchen auch. Wir müssen unsere Werte verteidigen, vorleben und einfordern. Viele dieser Mädchen würden es uns eines Tages danken.

Dr. Susanne Fürst ist Rechtsanwältin und seit 2017 Nationalratsabgeordnete der FPÖ. Im Freiheitlichen Parlamentsklub ist sie Obmannstellvertreterin und für die Bereiche Verfassung, Menschenrechte und Geschäftsordnung verantwortlich. Zudem vertritt sie die FPÖ im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss. Fürst schreibt für unzensuriert regelmäßig die Kolumne „Rechtsansicht“.

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