Wie sich doch die Zeiten ändern! Es ist noch nicht so lange her, da erschien es für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) unmöglich, dass der damalige FPÖ-Innenminister Herbert Kickl nach der „Ibiza“-Affäre „gegen sich selbst ermittelt“. Er warf ihn aus der Regierung.
Kickl nie Gegenstand von Ermittlungen
Das war 2019. Ein Jahr später dreht es Kanzler Kurz, wie er es braucht: ÖVP-Innenminister Karl Nehammer, der politisch für jenes Versagen seines Ministeriums verantwortlich ist, das es dem Wien-Attentäter ermöglichte, vier unschuldige Menschen zu töten und mehr als zwanzig weitere zum Teil schwer zu verletzen, bleibt nicht nur im Amt, sondern darf durch Sebastian Kurz’ Gnaden auch gegen sich selbst ermitteln.
Im Vorjahr war das Argument von Kurz, warum er Kickl loswerden wollte, hingegen nur vorgeschoben. Denn der heutige FPÖ-Klubobmann war zu keinem Zeitpunkt Gegenstand von Ermittlungen im Zusammenhang mit der „Ibiza“-Affäre.
Bei Nehammer blickt Kurz durch die Parteibrille
Die Medien schweigen zu dieser gewaltigen Meinungsumkehr des Kanzlers, der im “Fall Nehammer“ wohl durch die türkis-schwarze Parteibrille schaut. Am 19. Mai 2019 sagte Kurz in einem oe24-Interview wörtlich:
Das zeigt, dass die FPÖ immer noch kein Bewusstsein der Dimension dieses Skandals hat. Was wir jetzt wollen und brauchen, ist eine lückenlose Aufklärung aller Vorwürfe. Dass der, der als damaliger FPÖ-Generalsekretär möglicherweise an strafrechtlich relevanten Konstrukten beteiligt gewesen sein könnte, nicht als jetziger Innenminister gegen sich selbst ermitteln lassen kann, hätte jedem klar sein sollen. Was wir jetzt wollen und brauchen, ist eine lückenlose Aufklärung aller Vorwürfe. Was es jetzt braucht, sind klare Verhältnisse in Österreich, damit der Weg der Veränderung fortgesetzt werden kann. Dafür werbe ich.
ÖVP hat “kein Bewusstsein der Dimension des Skandals”
Nach vier Morden und 22 Verletzten, nach einem Terroranschlag, der durch haarsträubende Pannen im Innenministerium erst ermöglicht wurde, sieht Kurz kein Problem, seinen schwer angeschlagenen Innenminister gegen sich selbst ermitteln zu lassen. Diesen Umstand könnte man mit den eigenen Worten von Kurz beschreiben, wonach die ÖVP „kein Bewusstsein der Dimension dieses Skandals hat“.
Jetzt verstärken sich natürlich wieder die Indizien, wonach es Kurz bei der Entlassung Kickls nicht um die „Ibiza“-Affäre ging, sondern eher darum, einen unangenehmen Koalitionspartner, der dem schwarzen Netzwerk im BMI auf die Schliche kam, loszuwerden.