Karl Nehammer (ÖVP) gerät nach dem Terroranschlag von Wien mit vier Toten immer mehr unter Druck. Es wird zunehmend deutlich, dass sein Innenministerium das Blutbad verhindern hätte können, ja sogar müssen. Nehammer benimmt sich gegenüber Journalisten wie ein Beschuldigter in einem Strafverfahren. Er vernebelt, vertuscht und gibt nur zu, was zweifelsfrei bewiesen werden kann. Oder er schweigt.
54 Fragen von profil und keine einzige Antwort
Letztere Strategie fährt das Innenministerium sogar gegenüber dem Nachrichtenmagazin profil. Die recherchierenden Journalisten haben daher heute 54 Fragen öffentlich gemacht, auf die sie gerne eine Antwort gehabet, aber nicht bekommen haben. Mehrheitlich geht es dabei um die Information aus der Slowakei, wonach der späterer Terrorist im Juli Munition für sein Kalaschnikow-Sturmgewehr kaufen wollte. Den Beweis dafür hatte die FPÖ erbracht, indem sie den Bericht der slowakischen Kriminalpolizei öffentlich machte. Seither gerät Nehammer immer mehr in die Defensive.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
War der Attentäter ein Informant oder sollte er angeworben werden?
Doch eine Frage sticht aus dem Konvolut heraus und begründet einen bisher noch nicht offen ausgesprochenen Verdacht. Sie lautet:
War K. F. (der Attentäter, Anm.) ein Informant des Verfassungsschutzes oder sonstiger Behörden bzw. sollte er als solcher angeworben werden?
Der Attentäter als Spitzel des Verfassungsschutzes? Eine absurde Idee, könnte man meinen. Doch allzu weit hergeholt ist der Verdacht nicht, dass der Terrorist nicht nur seine eigene Deradikalisierung vortäuschen, sondern auch die Verfassungsschützer hinters Licht führen konnte. Drei Gründe lassen eine solche Vermutung zumindest plausibel erscheinen:
1 Der Terrorist wurde vor der Justiz geschützt
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hat den Terroristen, nachdem es aus der Slowakei den Hinweis auf seinen versuchten Munitionskauf erhalten hatte, nicht bei der Justiz gemeldet. Damit wurde ihm die Fortsetzung seiner zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafe bzw. ein neuerliches Verfahren erspart. Somit wurde K. F. eindeutig begünstigt bzw. vor Strafverfolgung geschützt. Die FPÖ hat deshalb eine Anzeige wegen Amtsmissbrauch gegen die verantwortlichen Beamten angekündigt.
2 Der Terrorist bekam extrem schnell eine Gemeindewohnung
Der Terrorist bekam im Mai – nach seiner Haftentlassung und nur rund drei Monaten Wartezeit – eine Gemeindewohnung der Stadt Wien. Viele Wiener müssen darauf jahrelang warten. Es erscheint nicht unplausibel, dass nachgeholfen wurde, damit der spätere Attentäter so schnell zu einer für ihn passenden Wohnung kam.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
3 Häufig werden Strafgefangene als V-Leute angeworben
Der Terrorist saß bis Ende 2019 im Gefängnis. Dort oder in der anschließenden Zeit, wenn die vorzeitig Haftentlassenen Kontakt zur Bewährungshilfe halten müssen, erfolgen häufig Anwerbungsversuche durch Verfassungsschützer oder auch sonstige Polizeibehörden. Ehemalige Straftäter sollen dazu gebracht haben, dem Gesetz treu zu bleiben und gleichzeitig kriminelle Personen aus ihren früheren Netzwerken an die Ermittler zu verraten.
Dubiose Informanten sind im BVT üblich
Es wäre übrigens nicht das erste Mal, dass sich das BVT ziemlich zweifelhafter Informanten bedient. Laut jüngsten Medienberichten sollen etwa der international zur Fahndung ausgeschriebene ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek sowie auch Personen aus dem kriminellen „Ibiza-Netzwerk“, die die früheren FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus in eine Video-Falle lockten, als Informanten oder V-Personen dem österreichischen Verfassungsschutz zugearbeitet haben.