Harte Bandagen: FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl wirft ÖVP-Innenminister Karl Nehammer Vertuschung und Falschinformation bezüglich der Hintergründe des Terroranschlags vom Montag in Wien vor.

4. November 2020 / 17:04 Uhr

Terroranschlag: Wusste Täter über bevorstehende Aktion der Staatsschützer Bescheid?

Mit neuen, brisanten Details zum Terroranschlag am Montag in Wien ließ FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl bei einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz heute, Mittwoch, aufhorchen. Er warf der Bundesregierung und besonders dem Innenminister „Halb- und Falschinformationen“ und den Versuch von Vertuschung vor. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob der am Montagabend im Zuge des Anschlages von einem WEGA-Beamten getötete Islamist Kujtim F. unter Beobachtung des Staatsschutzes stand.

So viele Spezialkräfte so schnell am Tatort

„Mich macht stutzig, dass so viele Spezialkräfte so schnell am Tatort waren und innerhalb nur weniger Stunden sowohl in der Wohnung des Tatverdächtigen, als auch an 17 weiteren Adressen Hausdurchsuchungen inklusive 14 Festnahmen stattfanden“, so Kickl.

Dies lasse den Schluss zu, dass es sehr wohl eine umfassende Beobachtung des Attentäters und seines Umfeldes gegeben habe. Seitens des Generaldirektors für öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, habe es dazu bisher weder ihm gegenüber, noch im ORF-Report eine klare Antwort gegeben. Vielmehr hätte Ruf versucht, die Verantwortung Richtung Justiz abzuschieben.

Staatsschutz muss Justiz nicht um Erlaubnis fragen

Kickl, der ja selbst Erfahrung als Innenminister sammeln konnte, wies dies zurück: „Das BMI kann staatspolizeiliche Beobachtungen auch von sich aus durchführen, es bedarf dazu lediglich der Genehmigung des Rechtsschutzbeauftragten des Innenministeriums. Einer Genehmigung der Justiz bedarf es dafür nicht.“

Nach Informationen der FPÖ seien Kujtim F. und sein Umfeld nämlich sehr wohl unter einer solchen Beobachtung gestanden, und zwar seit dessen vorzeitiger Haftentlassung im Dezember 2019. Kickl erwähnt dazu zwei verdeckte Operationen der Verfassungsschützer mit den Decknamen „Hansa“ und „Zulu“ gegen islamistische Zellen ab Anfang des heurigen Jahres.

Slowaken warnten Österreich nach missglücktem Munitionskauf

Er präsentierte auch das Original-Dokument, in der die slowakischen Behörden ihre österreichischen Behörden darüber informieren, dass Kujtim F. und ein Begleiter im Juli versucht hätten, Munition für ein AK47 („Kalaschnikow“) zu beschaffen, und in dem sie anfragen, was das denn für Leute seien. Darauf habe es auch eine ausführliche Antwort gegeben.

„Es stellt sich nun die dringende Frage, warum der vorgeblich ‚deradikalisierte‘ Islamist aufgrund dieses Munitions-Kaufversuchs nicht spätestens im Juli wieder verhaftet worden ist“, so Kickl. Der vorzeitige Straferlass des Nordmazedoniers habe ja bedingt stattgefunden, und wer Munition für eine verbotene Kriegswaffe (Sturmgewehr) kaufen will, könne wohl kaum als „deradikalisiert“ gelten und sei umgehend wieder in Haft zu nehmen. Das Attentat wäre also bei korrektem Ablauf aller Schutzmechanismen gegen Extremisten zu verhindern gewesen. „Ein sicherheitspolitischer Mega-Skandal des Innenministeriums“, resümiert Kickl.

Warum bedingte Haftentlassung für Terroristen?

Die FPÖ habe immer darauf gedrängt, bei verurteilten Terroristen generell keine bedingten Entlassungen (Erlassung eines Drittels der Haftzeit) zu gestatten. Dies sei aber im konkreten Fall von Ex-Justizminister Josef Moser (ÖVP), der den verhinderten IS-Kämpfer nur zu 22 Monaten Haft verurteilen ließ bzw. dessen Nachfolger Clemes Jabloner („Experten-Regierung“), unter dessen Ägide die „Bedingte“ ausgesprochen wurde, durchkreuzt worden. Und man müsse sich auch “diesen ‘Deradikalisierungs-Verein’ genauer ansehen, der solchen Häftlingen Ungefährlichkeit attestiert.”

Staatsschutz plante Anti-Islamismus-Aktion für Dienstag

Doch es gebe noch weit unappetitlichere Fakten, die dringend einer Aufklärung bedürften, so der FPÖ-Klubobmann – nämlich der nahe zeitliche Zusammenhang des Terroranschlags mit der für gestern, Dienstag (3. November), geplant gewesenen Operation „Ramses“ durch den Staatsschutz. Nur aus diesem Grund seien in Wien dermaßen viele Spezialkräfte aus WEGA und Cobra zusammengezogen gewesen. Sie sollten in den frühen Morgenstunden Hausdurchsuchungen in diversen Islamisten-Stützpunkten durchführen.

Undichte Stelle im Innenministerium?

„Unter diesem Aspekt glaube ich nicht an einen Zufall. Wenn einer der Betroffenen so kurze Zeit vor einer Staatsschutz-Aktion überhastet einen Anschlag durchführt, so frage ich mich, ob es nicht eine undichte Stelle im BMI gibt“, so Kickl. Der Anschlag sei ja ziemlich improvisiert durchgeführt worden, denn mit den Waffen, die der Attentäter zur Verfügung gehabt habe, wären auch viel mehr Opfer möglich gewesen. Die Anwesenheit so vieler Spezialkräfte in Wien sei großes Glück für die Stadt gewesen und weniger Nehammers umsichtiger Führung zu verdanken.

Dieser habe vielmehr bisher – ebenso wie sein Mitarbeiter Franz Ruf – zu allen diesbezüglichen Fragen geschwiegen. „Sollten sich die genannten Missstände auch nur zum Teil bestätigen, dann ist der Rücktritt des Innenministers unausweichlich“, stellte Kickl klar.

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