Wachsender Widerstand formiert sich auch in der Ärzteschaft und Wissenschaft gegen den neuen “Lockdown” in Deutschland und Österreich. Stefan Willich, Professor für Epidemiologie an der Berliner Charité, warnt vor einer massiven Belastung des Gesundheitssystems in Gesellschaft und Wirtschaft.
Gegenüber der Berliner Zeitung formuliert der Direktor am Charité Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, dass die neuen Maßnahmen „in ihrer Allgemeinheit überzogen“ seien. Für den Wissenschaftler sei es gesundheitspolitisch und medizinisch nicht sinnvoll, „auf dramatische Breitbandrestriktionen“ zu setzen.
“Nicht alles über einen Kamm scheren”
Willich formuliert, dass es keineswegs sinnvoll sei, im Angesicht der Coronavirus-Pandemie alles über einen Kamm zu scheren. So würde es etwa im Kulturbetrieb gute und wirkungsvolle Hygienekonzepte geben.
Darüber hinaus gebe es erhebliche regionale Unterschiede bei der Infektionsbelastung. So sollte ein “Lockdown” gesundheitspolitisch ausschließlich eine Maßnahme in einem tatsächlichen Notfall sein.
Intensivstationen nicht im kritischen Bereich
Die aktuelle Lage auf den Intensivstationen sei nach den veröffentlichten Zahlen des Robert-Koch-Instituts derzeit laut Willich nicht in einem kritischen Bereich. Bundesweit würden etwa fünf Prozent aller Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt sein. In der Hauptstadt Berlin seien es etwa knapp zehn Prozent, und erst bei 25 Prozent springe die entsprechende “Corona-Ampel” überhaupt auf die Farbe Rot.
Demgegenüber hätte der neue “Lockdown” erhebliche Auswirkungen auf das gesamte Gesundheitssystem:
Mit dem Lockdown wird die Belastung für das Gesundheitswesen insgesamt zunehmen. Wir sehen jetzt schon die Folgen im psychiatrischen Bereich wie Angststörungen oder Depressionen. Vor allem aber müssten alle anderen Krankheiten weiter behandelt und Patienten versorgt werden können, um einen therapeutischen Rückstau und eine Verschlechterung des Zustands der Patienten zu verhindern.