Aktuell wird das Bild der Türkei vor allem vom Konflikt mit Frankreich rund um Charlie-Hebdo-Karikaturen und die wechselseitigen Reaktionen auf die islamistische geprägte Ermordung eines französischen Lehrers dominiert. Dazu kommt das vielfältige Engagement des türkischen Regimes in Ankara unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan im Mittelmeerraum, in Berg Karabach und zuletzt sogar auf der Krim.
Tatsächlich spielen sich hinter diesen außen- und sicherheitspolitischen Aktivitäten des Erdoğan-Regimes massive Probleme in der türkischen Volkswirtschaft und im Staatshaushalt ab. Die Türkei steckt seit Jahren in einer tiefen Wirtschaftskrise. Erdogan und seine Staatsregierung gelingt es immer weniger, den wirtschaftspolitischen Kurs des Landes in eine positive Richtung zu lenken.
Mittelschicht verarmt, Währung ist im freien Fall
Falsche volkswirtschaftspolitische Weichenstellungen von Erdoğan und seiner Staatspartei AKP haben das Land in allen wesentlichen ökonomischen Faktoren zurückfallen lassen. Die türkische Mittelschicht, früher zu einem Großteil im Lager der AKP, verarmt zunehmend durch den Niedergang von Industrie, Handel und Gewerbe. Dazu kommt ein weiterer Wertverfall der türkischen Währung Lira sowie eine wachsende Inflationsrate, die derzeit bereits bei 11,75 Prozent liegt.
Die Türkei ist in Wirtschaft und Konsum stark von Importen aus dem Ausland, der Europäischen Union, den USA und vielen Drittstaaten abhängig. Durch den Wertverfall der Lira verteuern sich diese Importe von Monat zu Monat. Und die aktuelle Corona-Pandemie hat den türkischen Tourismus, viele Jahrzehnte ein Stützpfeiler für eine positive Entwicklung der Wirtschaft, zum Wanken gebracht.
Notwendige Leitzinssatz-Anhebung lässt auf sich warten
Wirtschafts- und Finanzexperten sehen einen wesentlichen Grund für die anhaltend hohe Inflation und die Dauer-Wirtschaftskrise im Verzicht der türkischen Nationalbank, den Leitzinssatz endlich anzuheben. Dieser liegt derzeit bei 10,25 Prozent und damit deutlich unter der Inflation.
Darauf reagieren die türkischen Anleger. Um massive Wertverluste zu vermeiden, legen viele türkische Konsumenten und Unternehmer ihr Geld in US-Dollar, Euro oder in Immobilien an. Diese Kaufkraft fehlt wiederum der türkischen Volkswirtschaft. Einer, der in dieser Krise als türkischer Finanzminister nicht wirklich eine gute Figur macht, ist Berat Albayrak, der Schwiegersohn von Staatspräsident Erdoğan.