Ob Eltern zu viele Familienleistungen vom Finanzamt erhalten haben und diese zurückzahlen müssen, bleibt auch trotz parlamentarischer Anfragebeantwortung ungeklärt.

5. August 2020 / 14:13 Uhr

Droht Österreichern wegen EU-Rechts Rückzahlung von Kindergeld?

Wenn es hart auf hart kommt, dann droht tausenden Österreichern die Rückzahlung von Familienleistungen in der Höhe von bis zu 3.500 Euro pro Kind. Dies dann, wenn die EU-Kommission Österreich auffordert, zu viel bezahlte Familienleistungen von sämtlichen Eltern zurückzufordern. Wenn Österreich sich weigert, droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), der der EU-Kommission wohl Recht geben dürfte.

Worum geht es genau?

Österreich bezahlt Familienleistungen an Eltern, wenn ein Kind in Österreich wohnhaft ist. Wesentliche Familienleistungen sind die Familienbeihilfe, die gemeinsam mit dem Kinderabsetzbetrag ausbezahlt wird. Beide Leistungen werden aber nicht aus dem gleichen Topf bezahlt. Die Familienbeihilfe wird über den Familienlastenausgleichsfonds finanziert, während der Kinderabsetzbetrag von allgemeinen Steuern getragen wird. Der Kinderabsetzbetrag beträgt 58,4 Euro, während die Familienbeihilfe, je nach Alter, unterschiedlich hoch ist, aber aktuell zwischen ca. 110 und 160 Euro beträgt.

Ausländischer Staat zuständig

Arbeitet aber ein Elternteil in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz, dann muss dieser Staat seine Familienleistung vorrangig bezahlen, wenn der andere Elternteil in Österreich nicht erwerbstätig ist. Ist die ausländische Familienleistung niedriger als die österreichische Familienleistung, dann bezahlt Österreich einen zusätzlichen Betrag – die sogenannte Differenzzahlung –, damit die Eltern in Summe auf die Höhe kommen, die der österreichischen Familienleistung entspricht.

Ist die ausländische Familienleistung allerdings höher als die österreichische Familienleistung, dann steht den Eltern nur die ausländische Leistung zu. Und dennoch hat Österreich zusätzlich den Kinderabsetzbetrag bezahlt. Darauf hat der Rechnungshof in einem Bericht auf Seite 47 hingewiesen. Die freiheitliche Familiensprecherin Edith Mühlberghuber forderte vom zuständigen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) eine Klarstellung. Auf Mühlberghubers parlamentarische Anfrage folgte eine Anfragebeantwortung, die viele Fragen offen lässt.

So heißt es:

Die vom Rechnungshof angesprochene Regelung befand sich in Rz 791 der Lohnsteuerrichtlinien 2002. Sie wurde mittlerweile angepasst und ist dementsprechend in der beschriebenen Form nicht mehr in Kraft.

Viele offene Fragen

Seit wann die Anpassung gilt, wird nicht erwähnt. Und obwohl dies faktisch heißen müsste, dass Österreich zusätzlich zu einer höheren ausländischen Familienleistung keinen Kinderabsetzbetrag bezahlt, so muss der Beantwortung der weiteren Fragen entnommen werden, dass das sehr wohl der Fall sein dürfte.

Mühlberghuber fragte, wie viele Bezieher, die im Monat Mai 2020 den Kinderabsetzbetrag erhielten, keine Familienbeihilfe bekommen haben. Eine solche Konstellation tritt jedenfalls ein, wenn die ausländische Familienbeihilfe höher ist als die österreichische Familienbeihilfe. Es gibt jedenfalls 3.309 solcher „Fälle“. Das Finanzamt schafft es aber nicht, konkret zu verifizieren, wie viele Kinder es pro Fall gibt. Ob die ausländische Familienleistung höher ist als die österreichische Familienbeihilfe oder höher als die Familienbeihilfe PLUS Kinderabsetzbetrag, bleibt ebenso offen wie andere Fragen. Etwa die Frage, bei welchen Staaten es höhere Familienleistungen es gibt und die Problematik daher überhaupt auftreten kann, dass Familien zu Unrecht zwei Leistungen beziehen.

Auf die Frage, wie das Ministerium reagieren wird, wenn die EU-Kommission gegen Österreich aktiv werden sollte, heißt es aus dem Blümel-Ministerium sehr allgemein:

Sofern ein Vertragsverletzungs- oder sonstiges europarechtliches Verfahren eröffnet werden sollte oder der Europäische Gerichtshof eine einschlägige Entscheidung trifft, wird die Bundesregierung die sich in Folge daraus ergebenden Rechtsfragen in gebotener Weise entsprechend eingehend bewerten.

Rückforderungen rückwirkend auf fünf Jahre

Da Familienleistungen, die zu Unrecht bezogen wurden, rückwirkend bis zu fünf Jahre zurückgefordert werden können, droht Eltern, die den Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen haben, die Rückzahlung für diesen Zeitraum, wenn der EuGH entscheidet, dass die Auszahlung zusätzlich zu einer höheren ausländischen Familienleistung unionsrechtswidrig erfolgte.

Übrigens: Die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung hatte vereinbart, dass Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zusammengeführt werden. Die Problematik würde sich somit nicht mehr stellen. Allerdings hatte Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) mitgeteilt, dass diese Maßnahme nicht mehr geplant sei.

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