Italien, Spanien und Frankreich haben deutlich mehr Corona-Tote als die Bundesrepublik Deutschland, Österreich und die Schweiz. Die Schweiz allerdings fällt zugleich auch gegenüber Deutschland und Österreich aus dem Rahmen. Warum?
Innerhalb der Schweiz gibt es ein starkes Gefälle, das genau entlang der Sprachgrenze verläuft. Die Welsch-Schweiz weist gegenüber der Deutsch-Schweiz eine überdurchschnittliche Todesrate auf. Der Kanton Tessin ist stark mit der italienischen Lombardei vernetzt, die Suisse Romande mit dem angrenzenden Frankreich. In der West-Schweiz gibt es viermal mehr Corona-Tote als in der Deutsch-Schweiz.
Phänomen auch nördlich von Frankreich
Nur ein romanisches Gebiet folgt nicht dem „romanischen“ Corona-Phänomen, nämlich Portugal. Sonst zeigt es sich überall: in der französischsprachigen Wallonie, ebenso in Belgien, das überhaupt die höchste Todesrate in der EU aufweist. Und setzt sich abgeschwächt in dem durch Einwanderung stark romanisierten Luxemburg fort.
Wie aber erklärt sich das „romanische“ Phänomen?
Für die auffällige Sterblichkeit in Italien wurden verschiedene Thesen verbreitet, die zunächst nur eines belegt haben, dass nämlich im Dunkeln gestochert wird.
- Luftverschmutzung
Seit der zweiten Märzhälfte versuchen Klima-Fanatiker die vielen Toten in Norditalien in ihr Denken zu integrieren und für ihre politische Agenda dienstbar zu machen. Das geschieht offensichtlich in der Absicht, das durch das Coronavirus schlagartig verdrängte Thema des Klimawandels wieder ins Gespräch zu bringen. Von dieser Seite wurde vermutet, die „Luftverschmutzung“ sei schuld, denn die hätte Norditalien mit Wuhan gemeinsam. Ein Faktenvergleich widerlegt die Aussage jedoch. Die Luftqualität ist auch in Norditalien ausgezeichnet und liegt unter den zweifelhaften, da politisch motivierten EU-Grenzwerten. Zudem lässt sich aus der Luftqualität kein erkennbar übereinstimmendes Element für den gesamten romanischen Sprachraum herauslesen und ebensowenig ein eklatanter Unterschied etwa zum deutschen Sprachraum. - Lebensgewohnheiten
Eine Studie der Universität Oxford will den Grund darin erkannt haben, dass die jungen Italiener länger im Elternhaus bleiben und insgesamt mehrere Generationen unter einem Dach leben. Doch das trifft genauso für Spanien, Portugal und Griechenland zu, ohne dass eine gemeinsame Entwicklung bei den “Corona-Toten” erkennbar wäre. Portugal weist vielmehr eine Todesrate auf, die jener von Deutschland und Österreich entspricht. Zudem gilt der Mehrgenerationenhaushalt in Italien mehr noch für den Süden, während sich die “Corona-Toten” im Norden konzentrieren. Süditalien ist von der Corona-Krise nur gering betroffen. Ein weiterer Grund, so die Studiengruppe aus Oxford, sei die hohe Überalterung der italienischen Bevölkerung, doch daraus ließe sich kein Unterschied zum deutschen Sprachraum herauslesen. Die Überalterung der Deutschen ist sogar noch stärker als die der Italiener. Sie wird in den amtlichen Statistiken lediglich durch die große Zahl der Eingewanderten stärker abgemildert. - Intensivbetten
Herumgereicht wurden auch die auffallenden Unterschiede im europäischen Vergleich bei der Anzahl der Intensivbetten je 100.000 Einwohner. Die von der OECD im April 2020 veröffentlichten Zahlen scheinen einen Zusammenhang nahezulegen, tun es in Wirklichkeit aber nicht. Die Bundesrepublik Deutschland liegt mit 33,9 Intensivbetten je 100.000 Einwohnern an der Weltspitze, gefolgt von Österreich mit 28,9 Betten. Immer weiter abgeschlagen folgen Frankreich (16,3), Belgien (15,9), die Schweiz (11), Spanien (9,7) und Italien (8,6). Die geringe Zahl für Italien scheint der These rechtzugeben. Ein Zahlenabgleich mit den “Corona-Toten” widerlegt sie aber, denn warum weisen Spanien und Belgien dann eine noch höhere Todesrate auf und auch Frankreich eine so hohe? Und warum liegen die USA gleichauf mit der Schweiz, die über mehr als elf Intensivbetten je 100.000 Einwohner verfügt, die USA aber über 25,8? Und warum hat Portugal, das mit 5,4 Intensivbetten das Schlusslicht der EU ist, die gleiche ermittelte Todesrate wie Österreich und die Bundesrepublik Deutschland? Gleiches gilt für Schweden, das bei den Intensivbetten auf dem Niveau von Portugal liegt und zudem einen Sonderweg bei der Eindämmung des Coronavirus geht, also theoretisch doppelt gefährdet wäre.
Einsparungen bei Intensivmedizin
Tatsache ist, dass in Italien seit 1993 ganze 70 Prozent der Intensivbetten durch Einsparungen abgebaut wurden. Das Phänomen betrifft allerdings die gesamte EU, wo im selben Zeitraum ein Abbau im Ausmaß von 40 Prozent stattfand. Tatsache ist auch, dass Italien mit 6,8 Prozent der Staatsausgaben wesentlich weniger in das Gesundheitswesen investiert als im EU-Durchschnitt mit 9,7 Prozent.
Und doch: In der Corona-Krise war in Italien nur die Lombardei kurzzeitig ein wenig überlastet. Am Höchststand der Krise standen in der Lombardei 1.260 Intensivbetten für 1.330 Intensivpatienten zur Verfügung, was einem Mehrbedarf von 5,5 Prozent entsprach. Nimmt man ganz Italien in den Blick, sah die Lage viel entspannter aus. Zur selben Zeit standen italienweit 7.560 Intensivbetten zur Verfügung, während der Belegungs-Höchststand 3.981 Corona-Patienten ausmachte. Das entspricht selbst am Höhepunkt der Corona-Krise einer maximalen Auslastung von 50,6 Prozent.
Zu keinem Zeitpunkt zu wenig Intensivbetten
Auch ohne krisenbedingter Aufstockung um 2.100 Intensivbetten, die im März erfolgte, wäre es mit dem Normalstand vor der Krise von 5.426 Intensivbetten zu keinem Zeitpunkt in Italien zu einem wirklichen Engpass gekommen. So wie Verlegungen von italienischen Corona-Intensivpatienten in die Bundesrepublik Deutschland erfolgten, waren zu jedem Zeitpunkt Verlegungen in andere italienische Regionen möglich.
Ursachen relevant wegen Panikstimmung
Die tatsächlichen Ursachen für das „romanische“ Corona-Phänomen werden Untersuchungen ans Licht zu bringen haben. Die genannten Zahlen sind von höchster Relevanz, da durch die in Italien erzeugte Panikstimmung, die von Massenmedien in andere Länder weiterverbreitet wurde, Regierungen, darunter jene von Wien und Berlin, ihre Radikalmaßnahmen begründeten, obwohl sich die Lage als nicht vergleichbar herausstellte.