Kleider machen Leute. Kein Wunder also, dass es im Großraum Aachen/Mönchengladbach/Krefeld/Ratingen/Euskirchen eine große Tradition an Textilproduktion gibt. Mit der Tuchfabrik Müller ist das Industriemuseum des Landschaftsverbandes Rheinland mit einem eigenen Standort in Euskirchen im Südwesten von Nordrhein-Westfalen vertreten.
Von der Papiermühle zum Museum
Die ältesten Gebäudeteile stammen aus dem Jahre 1814. Damals eröffnete an dem historischen Standort eine Papiermühle. Als sie Konkurs machte, kaufte Ludwig Müller 1894 den gesamten Gebäudebestand und machte sich mit einer Tuchfabrik selbständig. Sie stellte die Wolle her, die beispielsweise für die Herstellung von Uniformen aller Art gebraucht wurde.
Technisch völlig veraltet und wirtschaftliche am Ende stellte Kurt Müller (er hatte die Firma 1929 vom Vater übernommen) 1961 die Produktion ein. Gebäude und Inventar fielen in einen Dornröschenschlaf. In den 1980er Jahren wurde der Landschaftsverband Rheinland (LVR) auf das Gebäudeensemble aufmerksam, kaufte es mitsamt Inventar auf, restaurierte alles und eröffnete den Museumsstandort dann im Jahre 2000.
Arbeitsinventar als Bestand
Ein Glücksfall, wie sich schnell herausstellen sollte. Müller hatte in dem Irrglauben gelebt, die Produktion noch einmal aufnehmen zu können. Diesem Wunschdenken folgend hatte er Maschinen, Kontormobiliar und vieles mehr aufbewahrt, wie es die Arbeiter und Angestellten an ihrem letzten Arbeitstag hinterlassen hatten. So blieb das gesamte Arbeitsinventar erhalten: Garnrollen, Ersatzteile, Hinweisschilder, Arbeitsanleitungen an den Wänden und Arbeitsmaterialien seien hier als Beispiele genannt.
Die Besonderheit daran: Vater und Sohn Müller hatten nie investiert und neue Maschinen angeschafft – der Maschinenpark ist komplett aus Holz gefertigt und gibt den industriellen Sachstand der 1920er Jahre wieder. Der LVR hatte also das Glück, eine ideale museumsreife Einrichtung vorzufinden, zu der nichts hinzugekauft werden musste.
Führungen dreimal am Tag
Der Produktionsbereich der Tuchfabrik kann heute nur bei einer der Führungen, die dreimal am Tag angeboten werden, besichtigt werden. Bereiche wie die Wolferei, Krempelei, Färberei, Spinnerei und Weberei werden dabei gezeigt; einige historische Maschinen werden für den Besucher in Betrieb gesetzt. Lärm, Staub, Gestank und Hitze vergangener Tage sind dann nicht mehr direkt zu spüren; die Arbeitsbedingungen der Menschen früherer Tage lassen sich so aber anschaulich spüren.
Das Konzept, Besucher nur im Rahmen von Führungen in das Gebäude zu lassen, überzeugt. Eine weitergehende Museumspädagogik würde Ambiente und Flair beeinträchtigen. In der vorliegenden Form ergänzen Raumangebot und Inhalt einander. Kontor und Wohnbereich der Unternehmerfamilie können auf eigene Faust besichtigt werden. Eingangsbereich, Museumsshop, Café sowie Räumlichkeiten für Sonderausstellungen sind in einem gesonderten Gebäude aus neueren Tagen untergebracht.