Mit Dreyfus Säbel im Hof der Ecole Militaire zerbrach auch Herzls Glaube an die Assimilation. Stefana Sabin, französische Journalistin
Vor 75 Jahren, am 11. Juli 1935, verstarb in Paris Alfred Dreyfus, hier auf einem Foto aus seinem letzten Lebensjahr. Die Affäre um den Hauptmann der französischen Artillerie, führte am 22. Dezember 1884 zu seiner Verbannung auf den „Archipel der Verdammten“ in Französisch Guyana durch ein Kriegsgericht – dies wegen angeblicher Weitergabe von geheimen militärischen Dokumenten über die nationale Verteidigung an das Deutsche Kaiserreich. Die Strafkolonie bestand von 1852 bis 1951. Mehr als 70.000 Menschen mussten dort unter widrigsten Bedingungen ihr Dasein fristen. Hauptmann Dreyfus wurde am 5. Januar 1885 in einer äußert demütigenden Zeremonie der Säbel des Hauptmanns vor seiner angetretenen Mannschaft zerbrochen (Bild rechts), er wurde degradiert und bald darauf auf die "Teufelsinsel" nach Französisch Guyana verbracht.
Dies war also das Ergebnis einer Hetzjagd auf den Hauptmann Dreyfus, welcher als einzigen "Makel" seinen Glauben hatte. Als jüdischer Franzose wurde er vor allem von konservativen Kreisen wie auch vom vorwiegend adeligen Offizierskorps nie als einer der ihren betrachtet.
Wie aber kam es dazu, dass der französische Patriot Dreyfus in der Armee Frankreichs diene konnte? 1791, also zwei Jahre nach der französischen Revolution, wurde es den Franzosen jüdischen Glaubens gestattet, in den Streitkräften Frankreichs zu dienen. Was heute selbstverständlich, war es damals ganz und gar nicht. Die antisemitische Einstellung des Adels, aus dem sich das Offizierskorps hauptsächlich rekrutierte, stand dem bis dahin entgegen.
Was aber bewegte den jungen Dreyfus, seinen Lebensinhalt beim französischen Militär zu suchen? Da er aus einer finanziell wohlhabenden Familie stammte, war die halbwegs gesicherte Lebensstellung beim Militär sicherlich kein Anreiz für ihn. Dreyfus ging zum Militär und wurde Offizier, zuletzt als Hauptmann im Generalsstab der französischen Armee, weil er es als seine Pflicht sah – als seine Pflicht gegenüber Frankreich und seiner Glaubensgemeinschaft. Diese Einstellung teilten viele der damaligen Juden Frankreichs. Nur so ist die hohe Zahl an französischen Juden in den bewaffneten Kräften Frankreichs während des Ersten Weltkrieges zu erklären.
Dennoch wurde den französischen Juden weiterhin große Ablehnung entgegen gebracht. Das adelige Offizierskorps fühlte sich als gesellschaftliche Elite und konnte sich mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der jüdischen Franzosen nur schwer abfinden, vor allem wenn die Adeligen selbst zwar einen wohl klingenden Namen – aber kein Geld mehr hatten. Der Klerus war streng monarchistisch ausgerichtet war und machte Front gegen jegliche Form des Fortschrittes in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kultur und natürlich auch beim Militär. Auch die damalige Linke, welche sich mit Masse aus den unteren Schichten des Landes rekrutierte, verfiel auf Grund ihres antikapitalistischen Klassenkampfes immer wieder in antisemitische Töne – ebenso wie diverse Zeitungen: Als besonderes Ziel für Spott mussten bevorzugt die jüdischen Offiziere der französischen Armee herhalten.
Dreyfus selbst stammte aus dem Elsass, war somit in den Augen vieler Franzosen noch dazu ein "Erbfeind". Somit sind die Ursachen der Dreyfus-Affäre wohl auch in der nicht überwundenen Niederlage der Franzosen im Krieg von 1870/71 zu suchen.
Obwohl Dreyfus’ Unschuld auf der Hand lag, dauerte es bis 1906, ehe unter enormem Druck eine Rehabilitierung erreicht werden konnte.
Prozessbeobachter Theodor Herzl sah die Ereignisse damals als Motivation für sein politisches Hauptwerk "Der Judenstaat", in dem er einen eigenen Staat für alle Juden forderte, was in Folge zur Gründung des Zionismus führte.