Hätte es noch eines Urkundenbeweises bedürft, um den erschütternden Zustand des ÖVP-Parlamentsklubs zu dokumentieren, dann wurde dieser in den Nachtstunden der Nationalratssitzung vom 8.Juli 2011 geliefert. Die ehemalige ÖVP-Ministerin, Frauenbewegungschefin und Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat brachte hinter dem Rücken des eigenen Klubobmanns Karlheinz Kopf einen Antrag zur Abänderung der Österreichischen Bundeshymne ein. Was dann geschah, ist Chaos und endete mit den Worten: „Die ÖVP unterstützt den nationalen Selbstmordplan.“
Mut ist keine Sache der ÖVP-Frauen
Dass Mut keine Sache der ÖVP-Frauen ist, dokumentierten diese damit, dass dieser Antrag kurz vor Ende der Sitzung eingebracht worden ist. Offensichtlich rechnete man mit mangelnder Aufmerksamkeit der Klubführung nach drei anstrengenden Sitzungstagen. Obwohl Rauch-Kallat seit 1983 fast ununterbrochen Mitglied des Nationalrates bzw. Regierungsmitglied war, fand sie erst mehr als ein Vierteljahrhundert nach Beginn ihrer Parlamentarierkarriere den Mut, ihre wahren ideologischen Präferenzen zu offenbaren. Ein besonderes Schmankerl ist dabei, dass dieser Antrag gemeinsam mit der SPÖ und den Grünen eingebracht worden war. Wieder einmal wollte man das „fortschrittliche“ Projekt einer dahingehenden Umtextung der Bundeshymne durchsetzen, indem man „Heimat großer Töchter, Söhne“ getextet hatte. Dazu ging man nach Heckenschützenart gegen den eigenen Klub und Klubobmann vor. Dass dieser dadurch dauerhaft beschädigt wird, ist der „Parteifreundin“ offensichtlich egal.
Abschiedgeschenk durch eigenen Klub verweigert
Foto: Parlamentsdirektion / Mike Ranz
Das Abschiedsgeschenk, das sich die ehemalige Spitzenpolitikerin Rauch-Kallat am letzten Tag ihrer Parlamentarierkarriere machen wollte, wurde aber vom eigenen Klub blockiert. Nach einer gehörigen Schrecksekunde ordnete der verdatterte Klubobmann Kopf an, dass durch Dauerredebeiträge von männlichen ÖVP-Abgeordneten verhindert werden sollte, dass sich Rauch-Kallat noch einmal zu Wort melden kann. Doch auch dabei lief nicht alles nach Plan. Als Letzter Rauch-Kallat-Verhinderer trat Gesundheitssprecher Erwin Rasinger an, hatte jedoch nur noch eine Minute Redezeit zur Verfügung und beschränkte sich daher auf den Satz „Die ÖVP unterstützt den nationalen Selbstmordplan.“ Das waren also die berühmten letzten Worte der ÖVP in diesem Parlamentsjahr. Treffend für die Leistung und das Bild, das diese Partei abgegeben hat. Jubel und Applaus waren Rasinger sicher, allerdings nur von den anderen Parteien. Er hatte übrigens über einen Plan zur Suizidvorsorge sprechen wollen. Der versuchte Putsch gegen den eigenen Klub war zwar verhindert, die Entsolidarisierung und Desorganisation der kleineren Regierungspartei ÖVP machten sich dafür deutlich bemerkbar.