Bei der Vergangenheitsbewältigung in anderen politischen Parteien sind die Grünen immer sehr schnell mit Pauschalverurteilungen und guten Ratschlägen zur Hand. Dass manch einer von ihnen aber auch in der eigenen Familie Aufklärungsarbeit über die Verstrickungen in den Jahren 1933 bis 1945 zu leisten hat, wird meist verdrängt. Man erinnere sich nur an den seinerzeitigen Disput zwischen dem ehemaligen Tiroler Landeshauptmann Herwig van Staa und Alexander Van der Bellen, als van Staa die aufklärungsbedürftige Rolle von van der Bellens Vater während des Zweiten Weltkriegs inklusive dessen durch NS-Behörden unterstützte Flucht 1944 vom besetzten Estland ins Tiroler Kaunertal thematisierte.
Josef Gerö, der austrofaschistische Justizfunktionär
Während bei den Van der Bellens bis heute sehr viel im Unklaren geblieben ist, kann man beim derzeitigen Grünen Bezirksvorsteher des 7. Wiener Gemeindebezirks, Thomas Blimlinger, da schon von gefestigteren Sachverhalten ausgehen. Blimlingers Großvater ist niemand anderer als der ehemalige austrofaschistische Justizfunktionär Dr. Josef Gerö. Gerö, bis 1934 zuerst Bezirksrichter in Baden und dann Staatsanwalt in Wiener Neustadt, machte nach der Machtergreifung von Engelbert Dollfuß rasch Karriere in der gleichgeschalteten Justizverwaltung. So wurde er 1934 ins Justizministerium berufen, um dort Personalangelegenheiten sowie politische Strafsachen zu administrieren. Und 1936 wurde er sogar zum Ersten Staatsanwalt ernannt. Justizminister in dieser Zeit zwischen 1934 und 1938 waren der nachmalige austrofaschistische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg, der Heimwehrfunktionär Egon Berger-Waldenegg sowie die Repräsentanten der Vaterländischen Front, Robert Winterstein, Hans von Hammerstein und Adolf Pilz. Nach 1938 wurde Gerö verhaftet und als politischer Häftling in den Konzentrationslagern Buchenwald und Dachau festgehalten.
Nach 1945 Justizminister von SPÖ-Gnaden
Ab 1945 wurde Gerö als ehemaliger austrofaschistischer Justizfunktionär nicht etwa auf dem Ticket der ÖVP, sondern als Parteiloser auf Vorschlag der SPÖ ab 1945 erster Justizminister der Zweiten Republik. Dieses Amt hatte er bis 1949 inne. Sodann wurde er Präsident des Oberlandesgerichtes Wien, um 1952 bis 1954 neuerlich die Position des Justizministers zu bekleiden. Obwohl Gerö bei der Verfolgung der Sozialdemokraten nach dem Februaraufstand 1934 eine Spitzenfunktion im Justizapparat innehatte, war dies für die SPÖ nach 1945 offensichtlich kein Problem. Sogar die Internetseite Das Rote Wien verschweigt die Kruckenkreuz-Vergangenheit des Justizministers. Das ist offensichtlich im Sinne einer höheren Dialektik heute kein Problem. Genauso wenig wie es für Blimlinger und seine Genossen ein Problem ist, dass heute oft diskutierte Mängel in der Verfolgung von NS-Verbrechen und die mangelnde Umsetzung von Restituierungen von jüdischem Vermögen alle in die Ära von Justizminister Gerö nach 1945 fallen.
Enkelkinder machten bei den Grünen Karriere
Gerös Enkelkinder Eva und Thomas Blimlinger machten bei den Grünen Karriere. Während Thomas Blimlinger als Grüner Bezirksrat, Klubobmann und ab 2001 als Bezirksvorsteher in Wien-Neubau in der Wiener Kommunalpolitik groß wurde, war seine Schwester Eva unter anderem als Vertreterin der Grünen Bildungswerkstatt Mitglied des ORF-Publikumsrats. Seit 2011 ist Eva Blimlinger Rektorin der Wiener Akademie der bildenden Künste. In einem Portrait in der Tageszeitung Die Presse heißt es, dass die Blimlingers ihr politisches Interesse “wohl von Großvater Josef Gerö geerbt” hätten.