Mit dem Vorwand, mehr Mitbestimmung zuzulassen, lenkt die rot-grüne Stadtregierung in Wien mit einer Volksbefragung im März von wichtigen schul- und sozialpolitischen Fragen ab. Außerdem dienen die “No-Na-Fragen” – wie schon 2010 – wohl nur einem einzigen Zweck: der immensen Medienanfütterung aus dem Stadtbudget. Dabei gibt die Stadt schon jetzt Unsummen für Inseratenschaltungen aus, ist der größte öffentliche Werber Österreichs.
Wie berichtet, soll den Wienern mit der Pseudobefragung Sand in die Augen gestreut werden. Ähnlich wichtig wie schon bei der großangelegten Abstimmung, welche Stimme in Zukunft in den Öffis sprechen darf, sind auch die vier Fragen gestrickt, die den Wienern gestellt werden. Unzensuriert.at hat sich einmal angeschaut, was passieren würde, sollten die Wiener zur Urne gehen und bei den Fragen mit “Ja” oder “Nein” antworten.
Bezirke entscheiden über Parkpickerl
Thema “Parkraumbewirtschaftung”. Zur Auswahl stehen zwei Möglichkeiten: a) “Es sollen für jeden Wiener Bezirk Parkraumregelungen eingeführt werden” oder b) “Es soll Lösungen für einzelne Bezirke geben (mit Berücksichtigung der Nachbarbezirke)”. Stimmen die Wiener für Antwort a), bleibt wahrscheinlich alles wie bisher: Die Bezirke entscheiden. Alles wie bisher bleibt aber auch, wenn sich die Wiener für Antwort b) entscheiden, also Lösungen für einzelne Bezirke. Dann entscheiden weiterhin die Bezirksparlamente, ob das Parkpickerl eingeführt wird. Fazit: Egal, wie die Abstimmung ausgeht, schlussendlich entscheiden die Bezirke.
Äpfel und Birnen werden vermischt
Thema “Privatisierung”. Gefragt wird: “Die kommunalen Betriebe bieten der Wiener Bevölkerung wichtige Dienstleistungen. Zum Beispiel Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Energie, Spitäler, Gemeindebauwohnungen und öffentliche Verkehrsmittel. Sind Sie dafür, dass die Betriebe vor einer Privatisierung geschützt werden?” Abgesehen davon, dass bei einer solchen Fragestellung wohl ein deutliches Ja der Wiener zu erwarten ist, handelt es sich dabei um ein hausgemachtes Thema, um die Bevölkerung zu verunsichern. Denn Gefahr ist in Wirklichkeit nicht in Verzug.
Tatsächlich wurde in den meisten Bereichen durch Ausgliederungen und seltsame Finanzierungsmodellen (Wiener Wohnen, Wien-Energie, Fonds Soziales Wien, Kanalnetz, Wiener Linien etc.) die politische Entscheidungsgewalt längst ausgehebelt. Die Fragestellung müsste vielmehr die nach einer Re-Kommunalisierung der bereits ausgegliederten Betriebe sein.
Die Opposition übt nicht nur in der Formulierung der Privatisierungsfrage Kritik, sondern weist auch darauf hin, dass Äpfel mit Birnen verglichen würden. So könne man etwa bei Wasser die Argumente der Stadt nachvollziehen, im Gesundheitsbereich aber nicht. Denn die privat geführten Ordensspitäler in Wien hätten weit bessere Kennzahlen als die städtischen – warum also hier nicht eine Privatisierung zulassen? Weil dann speziell für die Roten der Einfluss auf Postenvergabe wegfällt?
20 Millionen allein für die Kandidatur
Thema “Olympische Spiele”. Gefragt wird: “Soll sich die Stadt Wien um die Austragung der Olympischen Spiele 2028 bewerben?” Hier macht der enorm lange Zeitraum, für den eine Festlegung erfolgen soll, stutzig. Da soll also einer zukünftigen Generation eine heute noch kaum vorstellbare Belastung aufgehalst werden. Dazu ein paar Zahlen: Olympia 2004 in Athen kostete rund neun Milliarden Euro, London 2012 sogar 11,5 Milliarden, allein 20 Millionen wurden für die Kandidatur ausgegeben. Die Bewerbung von München für die Spiele 2018 ist mit 33 Millionen veranschlagt. Angesichts dieser Summen fragt sich so mancher, woher die Stadt und der Bund das viele Geld nehmen sollen.
Gerade die Stadt Wien hat für das Jahr 2013 neue Schulden von 420 Millionen Euro budgetiert. Und das trotz Rekordeinnahmen. Alexander Ertler, Geschäftsführer von Immobilien.net, sagt in der Tageszeitung Die Presse das, was sich viele denken: “Für Olympia in Wien wird es keine Mehrheit geben, dafür sind die Wiener zu vernünftig. Das hat man schon bei der Volksbefragung über die Weltausstellung 1991 gesehen.”
Gefinkelte Entlastung des SPÖ-Parteibudgets
Thema “Bürger-Solarkraftwerke”. Die Frage lautet: “Soll die Stadt nach dem Beispiel der Bürger/innen-Solarkraftwerke weitere erneuerbare Energieprojekte entwickeln, die mit finanzieller Beteiligung der Bürger/innen realisiert werden?” Diese Frage ist gleich mit einer Gegenfrage zu beantworten: Warum hat die Stadt Wien nicht schon längst bessere Rahmenbedingungen geschaffen, um umweltfreundlich Energie erzeugen zu können und um einen weiteren Schritt Richtung “Energieautarkie” zu setzen? Und warum muss man dazu die Bürger befragen?
Es ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn die Regierenden das Volk befragen. In Wien hingegen ist Misstrauen angebracht. Denn schon die Volksbefragung 2010 ausgerechnet vor dem Wahlgang im Oktober hat gezeigt, dass nichts anderes dahinter steckt, als dass die SPÖ auf Kosten der Allgemeinheit eine gefinkelte Entlastung des Parteibudgets anstrebt.