Die radikalen Islamisten der sunnitischen Gruppe “Islamischer Staat im Irak und der Levante” (ISIS) haben ihren Eroberungskrieg von Syrien nun auch auf den Irak ausgeweitet. Vor kurzem fiel, für internationale Beobachter völlig überraschend, die zweitgrößte Stadt des Landes, Mossul (2,8 Millionen Einwohner), in ihre Hände. Dort wurde auch das türkische Konsulat gestürmt und über 40 Geiseln genommen. Ein für die türkische Regierung unter Premier Recep Tayyip Erdogan sehr unangenehmes Ereignis, hatte sie doch die ISIS lange Zeit selbst gegen Syriens Präsident Baschar al-Assad zumindest logistisch unterstützt. Fast alle sunnitischen Hochburgen des Irak, mit Ausnahme der Kurdengebiete, befinden sich mittlerweile in den Händen der Terrorgruppe. Durch die korrupte Regierung des irakischen Präsidenten Nuri al-Maliki sind viele der sunnitischen Araber des nordwestlichen Irak in die Arme dieser Organisation getrieben worden.
Islamisten marschieren auf Hauptstadt Bagdad zu
Die Kämpfer der ISIS scheinen nun auch fest entschlossen zu sein, die irakische Hauptstadt Bagdad einzunehmen. In Mossul haben sie zahlenmäßig Verstärkung erhalten, indem sie dort sämtliche Gefängnisinsassen freiließen. Auch Flugabwehrraketen soll die Islamistengruppe erobert haben, wie sie auf dem Kurznachrichtendienst Twitter verlautbaren ließ. Die erbeuteten Waffen sollen sich bereits auf dem Weg nach Syrien befinden. Zahlreiche ausländische Arbeiter wurden ebenfalls entführt und ermordet. In den bereits eroberten Gebieten hat die ISIS drakonische Maßnahmen auf Basis der Scharia erlassen. Wie Rupert Colvilled vom UN-Hochkommissariat für Menschenrechte berichtet, wurden zahlreiche Massenexekutionen seitens der Terroristen verübt.
Hoffnungen der irakischen Regierung ruhen auf den Kurden
Versuche der ISIS in Kurdengebiet einzudringen, konnten die militärisch traditionell gut organisierten Kurdenmilizen zurückschlagen. Die kurdische PKK hat bereits Truppen von Syrien in den Irak entsandt, um den Islamisten die Stirn zu bieten. Die schiitische Mehrheitsbevölkerung ist durch ein korruptes Regime in Bagdad dagegen völlig desorganisiert. Hilfe, wenn auch bislang keine militärische, bietet nun der Präsident des ebenfalls schiitischen Iran, Hassan Rohani. Diese hatten in der Vergangenheit allerdings bereits die iranischen Revolutionsgarden angeboten.
Steht eine Spaltung des Irak bevor?
Nun stehen die ISIS-Truppen vor Bagdad. Die Millionenstadt hat sowohl eine große sunnitische als auch eine starke schiitische Mehrheitsbevölkerung. Ein Angriff auf die Stadt könnte einen furchtbaren und lang anhaltenden Straßenkampf und Bürgerkrieg zur Folge haben. Der Irak scheint vor der Spaltung zu stehen: in einen sunnitischen Nordteil, einen schiitischen Süden und einen kurdischen Teil; eine Tatsache, die auch die Türkei Erdogans möglicherweise zum militärischen Eingreifen bewegen könnte. Dies könnte unabsehbare Konsequenzen für den ganzen Nahen Osten haben.