"Kultur darf nicht mit politischer Agitation verwechselt werden, sonst wird sie zur Unkultur", sagt die aus Ungarn stammende Wiener Rechtsanwältin Eva Maria Barki. In einem Schreiben an Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann drückt sie ihre Bestürzung über den Eklat aus, den der deutsche Schauspieler Martin Reinke bei einem Gastspiel des Burgtheaters in Budapest hervorrief. Reinke verlas am Ende von Tschechows "Die Möwe" eine Erklärung, in der er die ungarische Regierung kritisierte. Dafür verlangte auch der Direktor des Nationaltheaters in Budapest, Attila Vidnyanszky, eine Erklärung der Burgtheater-Direktorin, die bis dato aber ausblieb.
Ungarn brauche keine Belehrung
Der Deutsche Reinke, der in "Die Möwe" Jewgeni Sergejewitsch Dorn verkörpert, äußerte in seiner überraschenden Erklärung Sorgen um die "schwere Situation" des ungarischen Volks und der Kultur und beklagte, dass sich das Land unter Ministerpräsident Viktor Orbán "immer mehr vom Geist der Demokratie und von Europa entfernt". Vonseiten des Burgtheaters hieß es gegenüber der APA, dass man ursprünglich im Rahmen eines Publikumsgesprächs mit Jan Bosse mit den Besuchern in Dialog treten wollte. Nachdem Bosse nicht anreiste, sei es den Schauspielern wichtig gewesen, ihre Besorgnis betreffend der aktuellen Entwicklung anderweitig auszudrücken.
In Ungarn ist man über diese politische Agitation verärgert, und nicht nur dort: Rechtsanwältin Barki meint, dass Ungarn keine Belehrung hinsichtlich Freiheitsrechte brauche, die es mehrmals in der Geschichte nicht nur für sich selbst, sondern für ganz Europa erkämpft und verteidigt habe. Außerdem würde der Finanzskandal am Burgtheater und der Umgang mit der freien Meinungsäußerung in Österreich dem Burgtheater-Ensemble genügend Möglichkeiten bieten, um vor der eigenen Haustüre zu kehren. Im Übrigen stehe es Herrn Reinke nicht zu, dem ungarischen Volk quasi vorzuwerfen, bereits zweimal falsch gewählt zu haben.