Die ÖVP versucht im beginnenden Wahlkampf alles, um die Koalitionsfrage zu personalisieren und die FPÖ zu spalten. Es sei die Person Herbert Kickl, mit der eine Zusammenarbeit nicht möglich sei. Der ehemalige Kultur- und Medienminister Gernot Blümel arbeitet sich heute in einem Kurier-Interview – also ohne kritische Fragen – intensiv an Kickl ab. Eine glaubhafte Begründung kann aber auch er nicht liefern, warum Kickl als Innenminister entlassen werden musste und warum er nicht wieder Innenminister werden sollte. Kein Wunder, denn es geht nicht um Kickl, sondern es geht um Korruption, aber das kann die ÖVP schwer eingestehen.
Blümel versucht Fehlerkorrektur: Kickl geht jetzt gar nirgends mehr
Blümels Antworten sind so plump, dass sie die Strategie der ÖVP überdeutlich erkennen lassen. Immerhin hat er aber bemerkt, dass die ursprüngliche Argumentation, Kickl könne ja zum Beispiel Sozialminister werden, aber bloß nicht mehr Innenminister, verdächtig klingt. Verdächtig danach, dass es im Innenministerium schwarze Geheimnisse gibt, die vor Kickls Augen geschützt werden müssen. Die gibt es im Sozialministerium definitiv nicht, höchstens rote Geheimnisse, denn dieses Ressort war nur während der ÖVP-Alleinregierung in den sechziger Jahren schwarz besetzt.
Und so sagt Kickl heute im Interview mit der Kronen Zeitung:
Außerdem soll mir jemand erklären, warum ich zwar nicht Innen-, aber zum Beispiel Sozialminister werden könnte. Das passt doch hinten und vorne nicht zusammen!
Blümel geht zeitgleich im Kurier schon einen Schritt weiter:
Die FPÖ hat sich entschieden, den Weg nicht mit uns, sondern mit Kickl zu gehen – gegen uns. Wenn dieser Weg weiter verfolgt wird, ist völlig wurscht, auf welchem Sessel Kickl sitzt, das geht sich dann einfach nicht aus.
Blümels Chuzpe: FPÖ soll mit ÖVP gegen Kickl marschieren
Blümels Argumentation ist so ungeheuerlich, dass die FPÖ eigentlich sein politisches Verschwinden zur Koalitionsbedingung machen müsste, wenn es nicht so unwichtig wäre. Die FPÖ solle, so meint er ernsthaft, sich der ÖVP anschließen und jenen Mann opfern, der die Regierungserfolge erzielt hat, die Sebastian Kurz derzeit landauf, landab verkauft: eine restriktive Asyl- und Fremdenpolitik samt Umdenken auch auf europäischer Ebene. Erst gestern wiederholte Kurz gebetsmühlenartig das Credo Herbert Kickls: keine Flüchtlingsverteilung in Europa.
Versuch der Spaltung zwischen Hofer und Kickl – doch beide wählten Kurz ab
Noch bizarrer wird es, wenn Blümel der SPÖ vorwirft, sie habe “mit Herbert Kickl gemeinsame Sache gegen den Bundeskanzler” gemacht. Noch eine Partei also, die lieber den Weg mit Kickl geht als mit der ÖVP. Die SPÖ und Herbert Kickl allerdings verfügen gemeinsam über keine Mehrheit im Nationalrat, auch nicht zusammen mit den Jetzt-Mandataren. Es haben auch die übrigen FPÖ-Abgeordneten dem Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung zugestimmt. Auch Norbert Hofer, den Blümel – ganz in der eingeübten Strategie, die FPÖ spalten zu wollen – mehrmals ausdrücklich lobt.
Eine Strategie ohne Argumente
Normalerweise hat man eine Strategie und überlegt sich dazu Argumente. Die ÖVP muss derzeit ziemlich verzweifelt sein, wenn sie einfach die Strategie erzählt. Anklagen gegen höchste BMI-Beamte wegen Untreue und zum Teil auch Amtsmissbrauchs, Ermittlungen gegen ÖVP-nahe Vereine und das Öffentlichwerden des eigenen Umgangs mit Parteispenden insgesamt haben offenbar Spuren hinterlassen.
Blümel steht im Zentrum der aktuellen ÖVP-Skandale
Das ist insbesondere dann nicht so einfach zu erklären, wenn man selbst – angeblich “irrtümlich” – Funktionär in einem Verein war, der nun im Visier der Ermittler steht. Oder wenn – vermutlich ebenfalls irrtümlich – ein anderer ÖVP-naher Verein laut Impressum die eigene Homepage verantwortet hat. Und erst recht, wenn es Mails gibt, die nahelegen, dass man schon lange vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos wusste und trotz intensivster Bemühungen noch nicht nachweisen konnte, dass diese gefälscht sind.
Ehrensache übrigens, dass der Kurier Blümel zu all diesen Dingen keine einzige Frage stellte…