Nach der Wahl-Schlappe bei der EU-Wahl am vergangenen Sonntag ist für die CDU und ihre Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer der Schuldige schnell gefunden: Nicht die schlechte Politik der Christdemokraten ist verantwortlich für das katastrophal schlechte Wahlergebnis von 22,6 Prozent (ohne die Stimmen für die Schwesterpartei CSU), sondern sogenannte “Influencer” aus dem Internet – deren Meinungsfreiheit müsse nach der 56-jährigen Merkel-Nachfolgerin nun beschnitten werden.
YouTube-Video der Grund für Verluste der Union?
Der Hintergrund ist ein Video mit dem Titel “Die Zerstörung der CDU.” des deutschen YouTubers “Rezo”, der darin fast 60 Minuten lang gegen die Politik von Union, SPD und AfD wetterte – und mit seinem Aufruf, besagte Parteien nicht zu wählen, nach nur knapp einer Woche bereits mehr als zwölf Millionen Menschen auf der Videoplattform erreichte:
Wählt nicht die CDU/CSU, wählt nicht die SPD. Wählt auch keine andere Partei, die so wenig im Sinne von Logik und der Wissenschaft handelt und nach dem wissenschaftlichem Konsens mit ihrem Kurs unsere Zukunft zerstört. Und wähl schon gar nicht die AfD, die diesen Konsens sogar leugnet.
Es dauerte nicht lange, bis sich seine You-Tube-Kollegen zu Wort meldeten, um an der medialen Aufmerksamkeit teilhaben zu können und ihren Zuschauern die Fähigkeit zu einer selbständigen Wahlentscheidung abzusprechen: Am Ende haben sich mehr als 70 YouTube-Produzenten “Rezos” Aufruf angeschlossen und damit eine erhebliche Medienwirksamkeit erreicht. Vor allem der Umgang mit diesem Video gab die CDU der Lächerlichkeit Preis: Ausgerechnet Phillip Amthor, der 26-jährige CDU-Abgeordnete im Bundestag, kündigte an, ein Antwort-Video zu veröffentlichen – das wurde jedoch offensichtlich selbst der Union zu peinlich, und so blieb es bei einem nichtssagenden Thesenpapier auf der CDU-Webseite.
AKK: “Meinungsmache vor Wahlen” muss “reguliert” werden
Einen ganz besonderen Umgang mit Kritikern legt nun die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (die aufgrund ihres unaussprechlichen Doppelnamens meistens “AKK” genannt wird) an den Tag: Nicht die Konfrontation mit unbequemen Meinungen von politischen Gegnern, sondern deren Zensur soll das Mittel der Wahl sein, um keine schlechten Wahlergebnisse mehr zu erhalten.
Nach Berichten der Hannoverschen Allgemeinen “sorgt” sich Kramp-Karrenbauer nun um die Demokratie, schließlich sei harte Kritik an ihrer Politik als “klare Meinungsmache vor Wahlen” einzustufen – bei einer Gremiensitzung ihrer Partei sage sie, dass man auch über Regelungen zur Einschränkung der Meinungsäußerungen im Internet nachdenken muss:
Was sind Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten auch für den digitalen Bereich?
Obwohl sie diese bemerkenswerten Gedankengänge nicht weiter ausführte, ist offensichtlich, wohin die Reise geht: Nach dem berüchtigten Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und der europäischen Reform des Urheberrechts mit dem als “Uploadfilter” bekannt gewordenen “Artikel 13” (der nach seiner Verabschiedung nun Artikel 17 heißt), denkt nun auch die Nachfolgerin von Angela Merkel im Amt der CDU-Chefin ganz offen darüber nach, wie kritische Stimmen im Netz zensiert werden können.