Fasten-Bild

Der Verwaltungsspeck muss weg. In seinem Gastkommentar beschreibt Verwaltungs-Kenner Friedrich Rödler, wie der Staat sparen kann.

31. Jänner 2025 / 16:53 Uhr

Budget-Desaster kann ein Glücksfall für nachfolgende Generationen sein

Vor etwa sieben Jahren hat der Autor dieser Zeilen an dieser Stelle der Republik ein „Heilfasten gegen den Verwaltungsspeck“ nahegelegt. Eine schwarz-grüne Regierungsperiode später ist der Patient in einem budgetär-komatösen Zustand, aber gleichzeitig an innerer und äußerer Verwaltungsbürokratie derart überernährt, dass nur noch radikale Fettabsaugungen oder andere reformchirurgische Maßnahmen helfen können.

Gastkommentar von Friedrich Rödler

Immer wieder waren Budgetkatastrophen Auslöser für tiefgreifende Reformen, von denen letztlich viele Generationen profitiert haben. Auch nun, selbst wenn mit einem 6,4 Milliarden Euro schweren Sparpaket für 2025 das erste Drittel gelungen und eine EU-Brüssel- Kuratel erfolgreich abgewendet scheint, sollte die verbliebene Herausforderung als Chance für mutige und erst damit nachhaltige Reformen genutzt werden.

Damals …

Von Zeit zu Zeit nimmt der von den Habsburgern übernommene Gendefekt des „chronischen Defizits“ derart überhand, dass nur noch tiefgreifende – fürs erste schmerzhafte, aber a la longue zukunftsweisende – Maßnahmen die Manövrierfähigkeit des Staatsschiffes wiederherstellen.
Dies betraf bereits die Habsburger selbst. So etwa zehren wir noch heute von den auch dem Diktat der leeren Kassen geschuldeten theresianisch-josephinischen Reformen (Schulpflicht, Verwaltungs- und Justizreformen, Sozialfürsorge).

Rund 165 Jahre später konnte die faktische Zahlungsunfähigkeit der noch jungen I.Republik nur durch eine Anleihe des Völkerbundes abgewendet werden, die dieser – nebst seiner Kuratel über das noch junge (übrigens nicht vom Sozialdemokraten Karl Renner, sondern vom Deutschnationalen Franz Dinghofer ausgerufene) Österreich – an harte Auflagen und tiefgreifende Reformen geknüpft hat. So wurde vor rund 100 Jahren der – bis in die II.Republik als „Alpendollar“ bewunderte – Schilling als Währung eingeführt und eine wegweisende Verfassungs-, Finanz- und Verwaltungsreform vorgenommen. Seitdem besteht übrigens auch die – den Gerichten bis heute unbekannte – als allgemeine Selbstverständlichkeit empfundene sechsmonatige Entscheidungsfrist für Verwaltungsbehörden.

…wie heute

Aktuell wird die öffentliche Debatte wiederum von der Situation der Staatsfinanzen beherrscht, die sich zur – echten oder gespielten – Überraschung aller, einschließlich der abgehenden Bundesregierung inklusive des damaligen und nun nach Brüssel entschwundenen Finanzministers, der Wirtschaftsexperten, des zur Überwachung auch der Staatsschulden berufenen Rechnungshofes und des entsetzten Staatsbürgers wesentlich dramatischer darstellt als ursprünglich angenommen oder verbreitet.

Maastricht

Die schon seit Jahrzehnten geltenden budgetären Regeln (maximal Prozent Neuverschuldung, Schuldenstand maximal 60 Prozent des BIP) beziehen sich – worauf auch der derzeitige Finanzminister in seinem aktuellen Schreiben nach Brüssel explizit hinweist – auf das sogenannte gesamtstaatliche Defizit, also auf jenes von Bund, Ländern, Gemeinden und deren ausgegliederten Rechtsträgern zusammen. Umso bemerkenswerter, dass nach derzeitigem Stand der Bund alleine die Sanierungslast schultert und in einer Feuerwehraktion zur Abwendung der Brüsseler gesamtstaatlichen Kuratel rund 6,4 Milliarden Euro, davon rund 85 Prozent ausgabenseitig, konsolidiert. Damit ist für 2025 etwa ein Drittel des gesamten Sanierungsbedarfes dargestellt, die Maßnahmen für die Folgejahre werden nicht mehr so – vergleichsweise – schmerzfrei von der Hand gehen. Umso weniger, als die österreichische Verfassungsrealität und der bis 2028 gültige Finanzausgleich die gesamtstaatliche Aufgabe der Einhaltung der Maastricht-Kriterien wohl dem Bund alleine überlassen wird.

Der Patient Staatsfinanzen …

Unter diesen Vorzeichen wird die Erste-Hilfe-Maßnahme für das Jahr 2025, die sich im wesentlichen als punktuelle Rücknahme einiger Förderungen und als Reduktion des Sachaufwandes der Ministerien darstellt, in den Folgejahren eine systemische Gesundung des Patienten „Staatsfinanzen“ folgen müssen.

Da weiter steigende Dosen des Medikamentes Geld den Patienten nicht gesünder, sondern kränker und süchtiger machen, wird man um eine tabulose Diagnose und um eine maßgeschneiderte Therapie nicht herumkommen, und ja, ihn teilweise auch auf Entzug umstellen müssen.

… und seine Therapie

Österreich ist Hochsteuer- und gleichzeitig Vielförder-Land. Der Zusammenhang ist evident. Das Delta ist der zwangsläufige (überwiegend Personal-)Aufwand für einerseits die rechtssichere Beschabung der Einnahmen und andererseits für die zumeist ohne verbrieften Rechtsanspruch erfolgende „Gewährung“ an den bittstellenden Staatsbürger. Warum keine grundlegende Systemumkehr, warum kein grundsätzliches Hinterfragen jeder einzelnen Förderungsmaßnahme auf ihre unveränderte Berechtigung? Warum dem Staatsbürger nicht so viel Netto vom Brutto lassen, dass er auf staatliche Förderungen – ohnehin mit seinem Geld finanziert – über weite Strecken gar nicht mehr angewiesen ist?

Radikalkur

Österreich ist ein Über-Verwaltungsstaat, der im Interesse des Steuerzahlers einer Radikalkur bedarf. Dem Personalaufwand des Bundes von rund zwölf Milliarden Euro (2024) liegt ein von 131.000 (2017) auf 145.000 (2024) gestiegener Personalstand zugrunde. Die hypertrophe innere Organisationsstruktur namentlich von Ministerien (etwa durch Präsidien oder dergleichen) ist meilenweit von der allgemein gültigen Benchmark entfernt, dass die „Verwaltung der Verwaltung“ nicht höher als 15 Prozent sein darf. Als Generalsekretär des (damaligen) Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie habe ich durch den Entfall einer ganzen Hierarchie-Ebene die innere Organisationsstruktur verschlankt und die Anzahl der Führungskräfte halbiert (siehe da, es ging!), unter Ministerin Leonore Gewessler wurde dies – gerade im ohnehin hypertrophen Präsidium – wieder rückgängig gemacht. Man darf übrigens gespannt sein, ob etwa der Abschabung des Klimabonus die Auflösung der diesbezüglichen, aus fünf Akademikern bestehenden, Organisationseinheit sowie die dementsprechende Reduzierung des Personalstandes folgt.

Mehr Planstellen, weniger Arbeitsaufwand

Im weithin Verborgenen blühen zudem geradezu abartige Zustände: seit meinem von der Parteipolitik bewirkten Abgang als Präsident des Österreichischen Patentamtes (2015) hat sich dessen Personalstand um 30 Prozent auf 228 Planstellen erhöht, während im selben Zeitraum die Arbeitsbelastung um 20 Prozent abgenommen hat. Allein in diesem einen Mikrokosmos schlummert – wegen des gnadenlosen Missbrauchs des Begriffes „Innovation“ – allein an Personalkosten ein jährliches Einsparungspotenzial von schlappen zehn Millionen Euro. Und das bei der meines Wissens einzigen Verwaltungsbehörde der Republik, bei der es mir wegen des gewerkschaftlichen Widerstandes politisch nicht möglich war, nach nun schon 100 Jahren österreichweiter Gültigkeit (!) endlich auch hier die sechsmonatige Entscheidungspflicht gesetzlich verbindlich vorzusehen.

Geradezu manisch werden derzeit wegen der heranrollenden Babyboomer-Pensionierungswelle bundesweit Nachbesetzungsanträge für Schreibtischjobs geschrieben. Auch hier könnte sich das Budgetdesaster als Glücksfall erweisen, wenn nicht die Vergangenheit als Zukunft fortgeschrieben, sondern als Chance zur Neubesinnung auf die tatsächlichen personellen Erfordernisse des Staates begriffen und als Allokations-Chance in die wirklich notwendigen Bereiche wie etwa Sicherheit und Bildung verstanden wird.

Ausgegliederte Rechtsträger

Anfangs vielfach zur optischen Entlastung des strikten Stellenplanes geschaffen, wurde aus ihnen ein später fast schon gängiges – mit der Implementierung unternehmerischen Denkens begründetes, aber in Wahrheit zur Aufnahme von außerbudgetären Schulden verwendetes – Instrument der Dismembrierung des von der Verfassung ursprünglich vorgesehen Bauplanes der staatlichen Verwaltung. An derartigen Ausgliederungen zerschellt daher auch das parlamentarische Interpellationsrecht.

Nicht zufällig waren etliche der mittlerweile rund 60 der derart ausgegliederte Rechtsträger ursprünglich Abteilungen oder Sektionen eines Ministeriums. Parallel dazu haben sich, worüber der Rechnungshof alle zwei Jahre der Öffentlichkeit berichtet, die Kritierien der Besoldung teils erheblich von jenen des öffentlichen Dienstes entfernt. Das Diktat der leeren Kassen sollte auch als Chance begriffen werden, diese Entwicklung insgesamt kritisch zu hinterfragen und sich auch mutig der Frage zu stellen, ob die Gehälter der vielfach aus Bundesmitteln am Leben erhaltenen oder grunddotierten ausgegliederten Einrichtungen für Aufgaben der öbentlichen Verwaltung nicht mit dem Besoldungsschema des öffentlichen Dienstes gedeckelt werden sollten.

Nicht zufällig kommt mir an dieser Stelle Kaiserin Maria Theresia in den Sinn, die die „auf zahlreiche Buchhaltereien und Fonds“ aufgesplitterte und ihr dadurch entglittene Staatswirtschaft beklagt und mit „allerhöchstem Handschreiben“ vom 23. Dezember 1761 einen Reform-Paukenschlag zur Arrondierung der unübersichtlich gewordenen finanziellen Strukturen gesetzt und mit der Hofkammer die Vorläuferin des heutigen Finanzministeriums geschaffen hat.

Zusammenfassung

Seit jeher waren desaströse budgetäre Zustände, sobald sie das Ausmaß eines „bloß chronischen Defizits“ überschritten hatten, Anlass und Ausgangspunkt grundlegender Reformen, die bis in die heutige Gegenwart und in die Zukunft wirken. Dieser Zeitpunkt scheint angesichts des überwältigenden Sanierungsbedarfes auch jetzt wieder gekommen. Begreifen wir das aktuelle Budget-Desaster als Chance auf tiefgreifende, über punktuelle Notmaßnahmen hinausgehende Reformen und damit – so seltsam es klingen mag – als historischen Glücksfall für die nachfolgenden Generationen.

Friedrich Rödler (*1954) war Mitglied des Rechnungshofes (1978- 2011), erster Generalsekretär des Infrastruktur- und Innovationsministeriums (2001-2005), Präsident des Österreichischen Patentamtes (2005-2015) und ist seit 2017 selbständiger Unternehmens- und Organisationsberater (www.roedler-consult.at).

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