Seit langer Zeit werden Nachrichten auf WhatsApp und anderen Messenger-Diensten durch die Tech-Konzerne dahingehend kontrolliert, ob sie gesetzeskonform sind und den eigenen, oft meinungseinschränkenden Vorgaben entsprechen. Diese Chatüberwachung soll im August 2024 auslaufen.
Die EU-Kommission wollte sie durch eine mit noch weitreichenderen Befugnissen ersetzen: die Chatkontrolle, die Behörden erlaubt, nach Belieben, jederzeit und bei jedem Bürger mitzulesen. Das scheint vorerst vom Tisch, wie netzpolitik.org berichtet.
Zeit gewonnen
Die Kommission begründete den gewünschten Eingriff in die Privatsphäre mit einem mehrheitsfähigen Argument, nämlich der Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern.
Bereits im vergangenen November hatte der Innenausschuss gegen diese geplanten Überwachungsmaßnahmen Bedenken geäußert. Im Dezember folgte der juristische Dienst des Rats der EU. Damit ist es unrealistisch, dass die Überwachungsmaßnahmen gegen die Europäer noch vor der EU-Wahl verschärft werden.
Kritik von Datenschützern und Kinderschützern
Konkret wären Dienste wie WhatsApp oder Hostprovider zum sogenannten Client Side Scanning verpflichtet worden. Damit wäre die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durch einen Scan der Inhalte des Nutzers umgangen und den Behörden eine umfassende Überwachung privater Kommunikation ohne Anlass ermöglicht worden.
Das rief einerseits Datenschützer auf den Plan, anderseits auch Kinderschutzorganisationen. Letztere wollten sich offenbar nicht für die Überwachungspläne einspannen lassen und warnten vor einer Kriminalisierung von Kindern und Jugendlichen, weil diese selbst oft entsprechendes Bildmaterial versenden.
Kein Nachweis für versprochenen Nutzen
Bis heute wurde nicht der Nachweis erbracht, „dass die eigenmächtige Massenüberwachung der privaten Kommunikation durch US-Dienste von Meta, Google oder Microsoft einen signifikanten Beitrag zur Rettung missbrauchter Kinder oder Überführung von Missbrauchstätern leiste“, wie Patrick Breyer, EU-Abgeordneter der Piraten-Partei, festhält.
In Europa stehen Polen, Frankreich, Österreich, die Niederlande, Estland und Slowenien der Chatkontrolle kritisch gegenüber. Sie müsse verhältnismäßig und nur bei Verdächtigen durch richterlichen Beschluss erlaubt sein sowie die Grundrechte und Privatsphäre gewährleisten. Immer mehr Staaten schlossen sich der Argumentation an, sodass am Ende nur noch Spanien, Irland und Rumänien übrig blieben.
Überwachung bleibt
Die Verschärfung der Chatüberwachung ist vorerst vom Tisch. Nun bäckt die EU-Kommission kleinere Brötchen und will retten, was zu retten ist: Die Überwachung durch die Tech-Konzerne soll ab 4. August für zwei Jahre verlängert werden. Dazu hält netzpolitik.org fest:
Das ist eigentlich in der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation verboten, wird aber durch eine Ausnahmeregelung erlaubt.