Ein Raunen geht seit letztem Donnerstag durch die Medienlandschaft. Gegen den Musiker Gil Ofarim (nein, den muss man nicht kennen) wird von der Staatsanwaltschaft Leipzig Anklage wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung erhoben. So weit so unwichtig, wäre da nicht eine Vorgeschichte, welche die Mechanismen der deutschen Empörungsgesellschaft und deren Messen mit zweierlei Maß aufzeigt.
Ofarim schwenkt die Antisemitismuskeule
Am 4. Oktober letzten Jahres konnte man besagten Musiker in einem Video auf Instagram sehen, wo er weinerlich behauptete, von einem Rezeptionisten des Hotels “The Westin Leipzig” antisemitisch behandelt und diskriminiert worden zu sein. Er hätte wegen seiner Halskette mit Davidstern nicht einchecken können und sei aufgefordert worden, den Stern einzupacken, so Herr Ofarim.
Antisemitismus! – Das Medienecho war gewaltig. Die üblichen Politiker empörten sich pflichtschuldig. Bereits am nächsten Tag rotteten sich Medienberichten zufolge um die 600 Personen vor dem Hotel zusammen, um gegen vermeintlichen Antisemitismus zu demonstrieren.
Welle von Hass gegen Hotelmitarbeiter
Über den Rezeptionisten und das Hotel übergoss sich eine Welle von Hass. Ein Hinterfragen durch die Mainstream-Jouranlisten oder die berühmte Unschuldsvermutung gab es nicht. Wenn ein Herr Ofarim behauptet, wegen seines jüdischen Glaubens diskriminiert worden zu sein, dann wird es schon so gewesen sein.
Ofarims Kalkül mit dem Beißreflex der Öffentlichkeit war aufgegangen.
Das Blatt wendet sich
Was darauf folgte, waren jedoch interne Ermittlungen des Hotels und Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden. Es wurden Überwachungsvideos analysiert und zahlreiche Zeugen befragt. Auf keinem der Videos war besagte Kette mit dem Davidstern zu sehen und keiner der Zeugen konnte die Antisemitismusvorwürfe bestätigen. Was sie aber bestätigen konnten war, dass Ofarim an der Hotelrezeption offen mit einem Video gedroht hatte, das in den sozialen Medien „viral gehen“ werde, da er sich vom Hotelmitarbeiter nachteilig behandelt gefühlt hatte.
Was auf die Ermittlungen folgte, ist nun die Anklage wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung gegen das vermeintliche Antisemitismus-Opfer (Es gilt die Unschuldsvermutung). Die Ermittlungen gegen den Hotelangestellten wurden eingestellt.
Die Doppelmoral der “Zivilgesellschaft”
Was bleibt, ist ein unschuldig als Antisemit denunzierter Hotelangestellter und ein Hotel, das in seinem Ruf wohl bis heute schwer geschädigt ist. Von einer Entschuldigung der damals “Empörten” ist bisweilen nichts bekannt.
Indes beeilt sich Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, einzumahnen, von Vorverurteilungen des Musikers abzusehen:
Im Vertrauen auf unseren Rechtsstaat gilt es, keine Vorverurteilungen vorzunehmen.
Anders im Oktober 2021
Im letzten Oktober hat Herr Schuster jedoch noch ganz anders geklungen: “Nach der antisemitischen Anfeindung gegen einen Juden in Deutschland fällt dem Hotel nichts anderes ein, als die israelische Flagge und Symbole des Islam auf ein Banner zu drucken”, zitierte ihn die ZDF Tagesschau unter Berufung auf die Deutsche Presse Agentur. Damals war nichts zu lesen, von “Vorverurteilungen abzusehen”. Ganz im Gegenteil.
Zuerst Empörung, jetzt Schweigen
Und die sächsische Justizministerin Katja Meier (Bündnis 90/Die Grünen) twitterte im Oktober, dass der offene Antisemitismus im Hotel Westin “unsäglich und unerträglich” sei. Zu den von Ofarim nun nachweislich verbreiteten Unwahrheiten hat sie sich noch nicht geäußert.
Zu beurteilen, wer oder was in Deutschland nun wirklich “unsäglich und unerträglich” ist, bleibt jedem selbst überlassen.