Wer dieser Tage objektive Berichterstattung über die Affäre „Kurz“ haben möchte, sollte weniger österreichische Medien konsumieren, sondern einen Blick ins Ausland wagen. In der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ am 12. Oktober wurden die Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP schonungslos beim Namen genannt.
Lanz: “Das muss man sich einmal trauen!”
Moderator Markus Lanz meinte, nachdem Falter-Chefredakteur Florian Klenk über die ungeheuerlichen Vorgänge rund um mutmaßlich gefälschte Umfragen referiert hatte:
Bevor man so Wörter wie Bananenrepublik und so weiter in den Mund nimmt – die Justiz funktioniert ja ganz offensichtlich in Österreich. Das muss man sich einmal trauen, Hausdurchsuchungen beim Bundeskanzler zu machen.
“Die neueste Operette in Österreich heißt Kurz-Schluss”
Deutsche Journalisten finden es also lobenswert, dass zumindest die Justiz in Österreich funktioniert. Ein Armutszeugnis für ein Land, das die Autorin Elke Heidenreich bei Markus Lanz so beschrieb:
Österreich ist immer Operette. Die neueste heißt Kurz-Schluss. Da ist es immer lustig bei allem Elend.
Parteipolitischer Druck auf Staatsanwälte
Die Justiz, die in Österreich noch funktioniert, heißt Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die Frage ist aber, wie lange noch? Denn deren höchste Mitarbeiter haben sich im Zuge des „Ibiza“-Untersuchungsausschusses bitter darüber beschwert, dass parteipolitischer Druck auf sie ausgeübt werde.
Klenk sagte in der Sendung, dass er sich gewundert habe, warum die ÖVP im U-Ausschuss Staatsanwälte namentlich herausgepickt hätte – ausgerechnet jene, die erfolgreiche Ermittlungsschritte gegen ÖVP-Funktionäre gesetzt hätten.
“Angriff auf Gewaltenteilung”
Lanz bezeichnete dies als „Angriff auf die Gewaltenteilung“. Zudem zeigten sich die Diskussionsgäste, darunter auch Jürgen Trittin von den Grünen und Kai Wegner von der CDU, fassungslos über Aussagen von Sebastian Kurz bei seinem „ZIB2“-Auftritt. Kurz, damals noch Kanzler und ORF-Gast unmittelbar nach den Hausdurchsuchungen, meinte:
Berichterstattung und Inserat, das ist der Preis, den man bezahlt.
„Die Schaltung eines Inserates aus öffentlichen Gelder für wohlwollende Berichterstattung – das wäre tatsächlich Bestechung“, sagte der Falter-Chefredakteur unmittelbar nach Einspielung dieses Kurz-Zitats. Nebensatz:
Vielleicht hat er sich auch nur versprochen.
“Für ein Inserat gibt es ein Gegengeschäft”
Vielleicht. Aber es könnte auch zum Selbstverständnis der ÖVP gehören, denn bereits im Dezember 2020 gab es zwischen ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Oe24-Chef Wolfgang Fellner live im Fernsehen folgenden Wortwechsel (unzensuriert berichtete):
Sobotka meinte ungeniert:
(…) Sie kennen das Geschäft ja, für ein Inserat gibt´s a Gegengeschäft, oder?
Fellner darauf:
Ja, natürlich.
“Ibiza”-Rede von Kurz klingt heute wie Selbstanklage
Garantiert nicht versprochen hat sich Kurz, als er sich nach der „Ibiza-Affäre“ und dem Platzen der schwarz-blauen Regierung an die Österreicher wandte und wortwörtlich sagte:
Was aber wirklich schwerwiegend und problematisch ist, sind die Ideen des Machtmissbrauchs, Ideen zum Umgang mit österreichischen Steuergeldern, natürlich auch das Verständnis gegenüber der Medienlandschaft in unserem Land. Und es entspricht – das möchte ich auch ganz ehrlich sagen – nicht dem politischen Zugang, den ich habe. Nämlich der Republik und den Menschen in unserem Land zu dienen.
Nach Einspielung dieser Sequenz aus der Kurz-Rede sprach Lanz von „blankem Hohn“. Klenk ergänzte: „Das klingt jetzt wie eine Selbstanklage“. So deutlich hört man das nur in wenigen österreichischen Medien.