Alfred Riedl, ÖVP-Bürgermeister in Grafenwörth (Bezirk Tulln, Niederösterreich), Gemeindebundchef und dem Vernehmen nach Aufsichtsrat in 20 Unternehmen, kann wohl getrost als typischer Multifunktionär bezeichnet werden. Jetzt ist der ÖVP-Mann wegen eines Grundstücksgeschäfts in den Fokus der Medien geraten.
Eine Million Euro Gewinn
Profil und Kronen Zeitung berichteten darüber, dass Riedl als Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Grafenwörth eine Million Euro verdient haben soll. So soll der Ortschef im Jahr 2019 insgesamt vier Grundstücke an ein Immobilienentwicklungs-Konsortium verkauft haben und dabei einen Gewinn vor Steuern von einer Million Euro gemacht haben.
Riedl äußerte sich gegenüber den beiden Medien dahingehend, dass alle Varianten für das Bauprojekt von offizieller Stelle geprüft worden seien. Letztlich sei die Entscheidung des Konsortiums auf ein Grundstück gefallen, „das ich geerbt habe“.
Nur halbe Wahrheit
Profil und Kronen Zeitung fanden aber heraus, dass das nur die halbe Wahrheit war, wie sie in einer Aussendung mitteilten:
Riedl hat den Großteil der vier Gründe, die er 2019 an die Projektentwickler veräußerte, zuvor selbst gekauft oder ersteigert – und nicht geerbt. Im Jahr 2013 kaufte er je 50 Prozent von zwei Grundstücken – im Jahr 2017 fielen ihm die restlichen 50 Prozent zu, nachdem eine nahe Angehörige Riedls verstorben war. Zwei der vier Grundstücke hat der Gemeindebund-Chef also zur Hälfte geerbt, zur anderen Hälfte selbst gekauft.
In dieser Aussendung wurde auch erwähnt, dass Riedl sich dagegen verwehre, „einen falschen Eindruck erweckt zu haben“. Er habe immer auf das Grundbuch verwiesen, da sei alles einsehbar.
Riedl schweigt zu Unzensuriert-Anfragen
Eine schriftliche Anfrage von unzensuriert beantwortete der ÖVP-Ämtermulti nicht. Als wir versuchten, ihn auf seinem Mobiltelefon für eine Stellungnahme zu erreichen, hob er nicht ab. Als Riedl dann die auf seinem Mobiltelefon aufscheinende Nummer zurückrief und sich der Redakteur von unzensuriert meldete, lege er sofort auf.
Noch nicht alles aufgeklärt
Vom Verhalten des Bürgermeisters nicht überrascht zeigt sich Gemeinderat Helmut Ferrari, Chef der Bürgerliste „Bürger für Bürger“ in Grafenwörth. Er hat schon einige Erlebnisse mit Riedl, vor allem bei der Aufstellung der buddhistischen Stupa im Naturschutzgebiet, gehabt. Er sagte gegenüber unzensuriert zum aktuellen Fall:
Da ist noch nicht alles aufgeklärt. Es gibt verschachtelte Konstellationen – und es stellt sich die Frage: Wer verdient da versteckt mit?
FPÖ sieht fatale Optik
Eine fatale Optik sieht im Gepsräch mit unzensuriert FPÖ-Landesparteisekretär Andreas Bors:
Alfred Riedl dürfte seinen Einfluss genutzt haben, um das Riesenprojekt „Sonnenweiher“ in seine Heimatgemeinde Grafenwörth zu holen. Besonders fragwürdig wird die Sache dadurch, dass Alfred Riedl persönlich an dem Projekt verdient hat. Ein großer Teil der Baufläche gehörte nämlich ihm selbst. Er verdiente also persönlich daran, weil das Projekt zufällig auf einem seiner Grundstücke realisiert wird. Es entsteht der Eindruck, dass Riedl sein Insiderwissen als Bürgermeister für ein gewinnbringendes Geschäft missbraucht hat.
Hunderte Marokkanische Pflegekräfte
Eine zusätzliche Brisanz erhält das Immobilienprojekt in Grafenwörth nach Berichten, wonach im „SeneCura Campus Lakeside“ marokkanische Jugendliche zu Pflegekräften ausgebildet werden sollen. Diesbezüglich soll es Kooperationen zwischen SeneCura und dem Verein AMOROC geben.
FPÖ-Nationalratsabgeordnete Dagmar Belakowitsch stellte dazu sowohl am 13. April 2020 als auch am 11. Februar 2021 eine parlamentarische Anfrage. Sowohl Arbeitsminister Martin Kocher, als auch seine Vorgängerin Christine Aschbacher (beide ÖVP) sagten, vom Plan, marokkanische Pflegekräfte nach Österreich zu holen, nicht informiert worden zu sein und erst aus Medienberichten davon erfahren zu haben.
Gegenüber der Zeitung Pflege Professionell (PP) sagte Belakowitsch:
Der geschäftstüchtige ÖVP-Bürgermeister Riedl hat sich mit der internationalen SeneCura-Gruppe zusammengetan, um eine Investitionssumme von 24 Millionen Euro für seine Heimatgemeinde Grafenwörth zu lukrieren und dort das Projekt ‚SeneCura Campus Lakeside‘ zu stationieren. Und um dieses Projekt mit Leben zu erfüllen, kam man auf die Idee, Jahr für Jahr ab 2020/2021 mehrere hundert Marokkaner nach Österreich als Pfleger über die Rot-Weiß-Rot-Karte zu holen. Hinter all dem steht auch noch ein ominöser Verein mit dem Namen AMOROC (Austrian Morocco Chamber), der sich als Kooperationsplattform dafür hergibt. Dazu wird jetzt wieder kräftig die schwarze Lobbying- und Interventionsmaschinerie angeworfen.