Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen wurde am Straflandesgericht Korneuburg heute, Freitag, der mutmaßliche Mord an einem tschetschenischen Videoblogger verhandelt. Am 4. Juli 2020 war in Gerasdorf bei Wien der Tschetschene Martin B. erschossen worden. Als mutmaßlicher Täter sitzt Sar-Ali A. auf der Anklagebank in Korneuburg. Trotz höchster Sicherheitsstufe soll die Mord-Anklage nur von einem gewöhnlichen Gewaltverbrechen ausgehen. Das Urteil der Geschworenen erfolgte am Nachmittag dann einstimmig: lebenslang wegen Mordes. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Politische Hintergründe und ein möglicher Auftragsmord, dessen Spuren bis nach Tschetschenien und zum dortigen Präsidenten Ramsan Kadyrow führen konnten, wurden von den Ermittlern und Strafbehörden in keiner Weise verfolgt. Das Gericht sah als Motiv für die Tat lediglich “Geldgier”. So einfach kann man es sich natürlich auch machen.
Kein konkretes Tatmotiv – Tatwaffe verschwunden
Konkret wurde ein gewöhnlicher Mord mit einer Pistole Glock 17 vor den Geschworenen und Berufsrichtern in Korneuburg verhandelt. Der Angeklagte Sar-Ali A. soll den unter dem Namen “Ansor aus Wien” bekannten Landsmann Mamichan U. alias Martin B. mit Pistolenschüssen aus der Tatwaffe getötet haben.
Der Angeklagte A. soll in der tschetschenischen Gemeinschaft als Waffenhändler gegolten haben, das Tatopfer B. sol bei A. eine Glock gegen einen BMW eintauschen haben wollen. Das konkrete Tatmotiv soll in der Anklageschrift ungenannt geblieben sein, auch von konkreten Mittätern oder Auftraggebern soll keine Rede sein. Es wurde lediglich ein Salman M. erwähnt, der abgesondert verfolgt wird und der die Tatwaffe ins Ausland gebracht haben soll.
Morddrohungen und Geheimdienst-Aktivitäten
Gänzlich ist ein Zusammenhang mit Tschetschenien und dem dortigen Regime doch nicht unerwähnt geblieben. So wurde in der Anklageschrift kurz darauf eingegangen, dass “Ansor aus Wien” in seinen Videoblogs das Regime des tschetschenischen Regionalpräsidenten Ramsan Kadyrow öffentlich angeprangert habe. Und deshalb soll es aufgrund dieser Tätigkeit mehrere Morddrohungen gegen das spätere Opfer gegeben haben.
Ein unmittelbarer Zusammenhang der Tat und diesen politisch motivierten Drohungen wurde allerdings nicht hergestellt. Ungeklärt ist bisher auch, dass am 1. Juli 2020, also nur drei Tage vor den Todesschüssen in Gerasdorf, der ukrainische Geheimdienst SBU eine Gerichtsentscheidung, in der Martin B. als Zeuge in einem ukrainischen Ermittlungsverfahren erwähnt wurde, aus einem öffentlichen Register gelöscht haben soll.