Einst wurde der Paragraph 101 der österreichischen Strafprozessordnung geschaffen, um zu verhindern, dass weisungsgebundene Staatsanwälte bei politischen Prozessen in ihrer Arbeit nur eingeschränkt arbeiten können. Die Volkspartei dreht jetzt den Spieß um und räumt sich damit eine kritische Ermittlungsbehörde aus dem Weg.
Nicht jeder ist vor dem Gesetz gleich
Statt sich wie jeder andere Bürger der ermittelnden Behörde zu stellen und dieser die Möglichkeit zur Befragung zu den strafrechtlichen Vorwürfen zu geben, kann sich der beschuldigte ÖVP-Chef dank seinem findigen Rechtsberater einem Verhör entziehen. Experten wie der Leiter der Grazer Staatsanwaltschaft Dr. Thomas Mühlbacher sprachen schon in der Vergangenheit von einer dadurch vorhandenen “Zwei-Klassen-Justiz“. Uni-Wien-Professor Franz Höpfel und der 1. Staatsanwalt der burgenländischen Landeshauptstadt Eisenstadt sehen in der aktuellen Ausgestaltung des “Kanzler-Paragraphen” einen “Beigeschmack des Misstrauens gegenüber der Staatsanwaltschaft“.
Extra Reglung auch bei der Anwaltswahl
Vollkommen unter geht bei der gesamten Debatte der Fakt, dass noch vor nicht allzu langer Zeit der von der FPÖ nominierte Medienrechtler Michael Rami seine Tätigkeiten für die Freiheitlichen aufgeben musste, um als Verfassungsrichter keinerlei Anschein von Befangenheit zuzulassen. Umgekehrt gelten derartige Regeln nicht für die Volkspartei: Kurz-Anwalt Werner Suppan ist ebenfalls (Ersatz-)Mitglied des Höchstgerichts.