So etwas hat es in der Zweiten Republik noch nicht gegeben! Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat alle Hände voll zu tun, um allein den Ermittlungen gegen mächtige ÖVP-Funktionäre nachzukommen. Sieben davon, darunter auch ÖVP-Kanzler Kurz und ÖVP-Finanzminister Blümel, werden sogar als Beschuldigte geführt. Andere, wie zum Beispiel der ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer, stecken tief in Ermittlungsakten.
Mahrers Frau ist, wie berichtet, Beschuldigte im Ermittlungsverfahren „Wienwert“, in dem aber auch Karl Mahrer selbst im Verdacht steht, „versteckte Zuwendungen“ bekommen zu haben. So tauchte eine Mail auf, wonach der damalige Wienwert- Geschäftsführer angegeben hat, er könne „das Honorar mit Karl auf die Hälfte, somit auf 5.000 Euro verringern“.
ÖVP in tiefgreifender Krise
Im ORF kommen solche „kleinen Fische“ wie Karl Mahrer, immerhin Nationalratsabgeordneter und Sicherheitssprecher der ÖVP, in der Berichterstattung über den Filz in der ÖVP gar nicht mehr vor. In der „ZIB Nacht“ am Mittwoch kamen im Gespräch mit dem Politikberater Peter Filzmaier aber dann doch noch mehr Namen von mächtigen ÖVP-Funktionären in die Öffentlichkeit, gegen die die Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet hat. Filzmaier machte den Moderator darauf aufmerksam, dass seine Aufzählung – möglicherweise aus Zeitgründen – unvollständig sei und nannte die “Beschuldigten” allesamt beim Namen:
Die ÖVP ist in einer tiefgreifenden Krise. Ich weiß nicht, ob aus Zeitgründen, aber Ihre Aufzählung war ja noch unvollständig. Als Beschuldigter in unterschiedlichen Ermittlungsverfahren, die aber mit dem Untersuchungs-Ausschuss in Zusammenhang stehen, werden nicht nur Kanzler und Finanzminister geführt, sondern auch der ehemalige Finanzminister Löger aus dem Kabinett Kurz eins, der aktuelle Kabinettschef Bonelli von Sebastian Kurz, der frühere Justizminister und Vizekanzler Brandstetter von der ÖVP, die ehemalige stellvertretende Parteivorsitzende von Sebastian Kurz, Glatz-Kremsner, in der Casino-Affäre, und gleichzeitig auch zwei von drei Parteivorsitzenden-Vorgängern von Kurz, nämlich Josef Pröll und Michael Spindelegger, gegen alle die wird als Beschuldigte ermittelt.
Auch Filzmaier konnte – wahrscheinlich auch aus Zeitgründen – nur die „großen Fische“, die Dreck am Stecken haben könnten, aufzählen. Für alle genannten Personen gilt natürlich die Unschuldsvermutung.
Filzmaier: “Kurz müsste im U-Ausschuss Stabilität aufweisen”
Kurz verteidigte sich am Mittwoch in der „ZIB 2“ damit, dass im U-Ausschuss auf jedem Wort herumgeritten werde, es würde mit Vorwürfen gearbeitet werden, mit Beschuldigungen und Unterstellungen, und dann werde er auch noch in den Medien falsch zitiert. Dazu sagte Filzmaier:
Ja, im Untersuchungsausschuss wird politisch gehandelt. Das heißt: Es gibt Suggestiv-Fragen, es gibt eine hochemotionalisierte Atmosphäre phasenweise, aber nicht nur von den Oppositionspolitikern, sondern auch von jenen der Regierungsparteien – bis hin zum Nationalratspräsidenten und U-Ausschuss-Vorsitzenden Sobotka von der ÖVP. Allerdings kann man auch einwenden, dass ein Bundeskanzler damit zwar konfrontiert ist, aber doch die Stabilität aufweisen muss, dass es nicht dazu führt, dass die Staatsanwaltschaft in Folge auf 58 Seiten gegen ihn als Beschuldigten eine lange Begründung schreibt, sondern das muss man aushalten. Und apropos Staatsanwaltschaft: Das ist eine Argumentationsschwäche von Sebastian Kurz gewesen. Die Opposition kann ihn dort attackieren, sie kann auch jemanden anzeigen wie jeder das kann, aber das Ermittlungsverfahren gegen ihn als Beschuldigten wurde von der Staatsanwaltschaft eingeleitet und nicht von der Opposition im Untersuchungs-Ausschuss. Und vielleicht misst man da auch mit zweierlei Maß, denn die ÖVP parallel im Burgenland, die kritisiert natürlich den ebenfalls als Beschuldigten wegen einer dortigen möglichen Falschaussage im Untersuchungs-Ausschuss im Landtag, gegen den ermittelt wird, Doskozil. Der wird kritisiert von der ÖVP Burgenland, und ich weiß nicht, ob die dann auch nicht gegen einen Rücktritt sind, wenn dann allenfalls eine Anklage erhoben werden sollte.
“Wie amtsfähig ist ein Bundeskanzler als Angeklagter?”
Ziemlich arrogant sagte Kurz im ORF auch, dass er nicht zurücktreten werde, sollte es zu einer Anklage kommen. Allerdings wird der Kanzler dann einem enormen Druck ausgesetzt sein, wie auch Politikberater Filzmaier meint. Das würde, so Filzmaier, gegen jeden demokratischen Grundkonsens – auch unter neutralen Beobachtern – verstoßen. Filzmaier fragt sich zudem: Wie amtsfähig ist ein Bundeskanzler als Angeklagter? Zum Rücktritt könne ihn, so Filzmaier, aber niemand zwingen.