Während der für Binnenmarktfragen zuständige französische EU-Kommissar Thierry Breton absolut keinen Bedarf für den russischen Anti-Covid-Impfstoff Sputnik V sah, erklärte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó fast zeitgleich, dass die Europäische Union durch die Politisierung der Impfstoffbeschaffung einen großen Fehler begangen habe. Szijjártó selbst hat sich laut eigenen Angaben mit Sputnik V impfen lassen und keinerlei Nebenwirkungen verspürt. Ungefähr die Hälfte der eineinhalb Millionen Menschen, die in Ungarn bereits geimpft wurden, bekamen laut Szijjártó einen russischen oder chinesischen Impfstoff verabreicht.
Angebliche EU-Herdenimmunität bereits Mitte Juli 2021
Die frustrierendste Erfahrung des ungarischen Außenministers seienAngriffe von EU-Bürokraten gegen Ungarn gewesen, die stattfanden, als sich Ungarn dazu entschied, zusätzlichen Impfstoff von außerhalb der EU anzukaufen. Geradezu klischéehaft für einen französischen Politiker, erklärte EU-Kommissar Breton, dass die EU eine Covid-19-Herdenimmunität heuer am 14. Juli, das heißt am französischen Nationalfeiertag, erreichen könnte. Er fügte hinzu: „Zwischen März und Juni werden zwischen 300 und 350 Millionen Impfstoffdosen ausgeliefert”.
Österreich erhielt russisches Angebot
Mittlerweile wird in Europa von 55 Fabriken Impfstoff produziert. Dennoch ist Breton überzeugt, dass Russland in Zukunft bei der Impfproduktion unterstützt werden müsse. Evidenz gibt es dazu keine. Ganz im Gegenteil. Mittlerweile wurde der österreichischen Bundesregierung sogar von der russischen Botschaft übermittelt, dass es möglich wäre, den russischen Direktinvestitionsfonds (RDIF) dafür zu nutzen, den Impfstoff Sputnik V in Österreich herzustellen. Erst kürzlich gab der Fonds bekannt, dass in Indien nun jährlich 200 Millionen Sputnik V Impfdosen hergestellt werden, auch Argentinien schloss sich an.
Ungarn, Slowakei und Tschechien verwenden bereits Sputnik V
Bretons Aussagen gefielen Russlands Präsident Vladimir Putin überhaupt nicht. Deswegen erklärte er: „Wir fragen uns, welche Interessen diese Leute vertreten. Jene der Pharmafirmen, oder jene der europäischen Bürger?“ Er selbst werde sich noch im März mit Sputnik V impfen lassen. Der russische Impfstoff wird zur Zeit von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA geprüft. Dennoch haben Ungarn, die Slowakei und Tschechien Sputnik V nach einer Notzulassung bereits bestellt.
Planwirtschaftliches Denken ist in EU-Kommission verankert
Abgesehen von der Frage, welche Interessen EU-Kommissar Breton vertritt, stellt sich die Frage, inwieweit planwirtschaftliches Denken in der EU-Kommission verankert ist. Dieses führte laut Hans-Werner Sinn, dem ehemaligen Leiter des Münchner ifo Instituts für Wirtschaftsforschung dazu, dass die EU Impfstoffe zu spät bestellt hatte. Es sei daher ein Fehler gewesen, die Impfstoffbeschaffung der EU-Kommission zu überlassen. Diejenigen Länder, die selbständig bestellt hätten, seien früher an den Impfstoff gekommen. Die zentrale Beschaffung einer knappen Ware funktioniere in der Praxis nie. Das hätten 50 Jahre Kommunismus gezeigt.