Die FPÖ sieht in ÖVP-Innenminister Karl Nehammer den Verantwortlichen dafür, dass am 31. Jänner zwölf von 14 Demonstrationen untersagt wurden. Darunter auch jene der Freiheitlichen. Das hatte heute, Donnerstag, ein parlamentarisches Nachspiel.
Einmaliger Tabubruch in der Zweiten Republik
Die Freiheitlichen sprachen von einem einmaligen Tabubruch in der Zweiten Republik. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl las dem Innenminister in seiner unnachahmlichen Art die Leviten, warf ihm vor, nur Veranstaltungen zuzulassen, die der Regierung genehm wären. Kickl forderte die Nationalratsabgeordneten auf, ehrliche Gewissensforschung zu betreiben und dann zu entscheiden, ob ÖVP-Innenminister Karl Nehammer noch tragbar wäre.
FPÖ-Nationalratsabgeordneter Hannes Amesbauer sagte in Richtung Nehammer gar:
Was kommt als nächstes? Wollen Sie auch die Oppositionsparteien im Parlament verbieten?
Zwei Misstrauensanträge gegen Nehammer in einer Sitzung
Amesbauer, der auch FPÖ-Klubobmann-Stellvertreter ist, brachte daher einen Misstrauensantrag gegen Karl Nehammer als Innenminister ein. Die Grünen machten in ihren Wortmeldungen aber klar, weder dem Misstrauensantrag der FPÖ, noch dem Misstrauensantrag der SPÖ, die einen eigenen Antrag wegen der Abschiebungen der Schüler am 28. Jänner nach Georgien stellten, zuzustimmen. Das war vorauszusehen: Denn bei einem Ja der Grünen wäre die Koalition mit der ÖVP geplatzt. Und die Grünen hätten nicht nur von heute auf morgen die Macht verloren, sondern wären wohl für längere Zeit Geschichte gewesen.
Das Ergebnis des FPÖ-Antrages: Von den 171 abgegebenen Stimmen waren 79 für die Ablöse von Nehammer, 92 dagegen. Ähnlich auch das Ergebnis des SPÖ-Misstrauensantrages: Von 170 abgegebenen Stimmen waren 78 dafür und 92 dagegen.
Kein Applaus der Grünen für ÖVP-Mandatare
Ein interessantes Detail am Rande: Bei Reden der ÖVP-Mandataren gab es keinen Applaus der Grünen. Einen deutlicheren Beweis, dass der Koaltionssegen schief hängt und zwischen ÖVP und Grünen nur noch gestritten wird, hätte es nicht gebraucht. Auf ihre Ministerposten wollen sie alle aber nicht verzichten.
Nehammer gab Wiener Polizei die Schuld für Untersagung
Nehammer versuchte sich in seiner Wortmeldung damit herauszureden, dass es nicht seine Entscheidung war, die Veranstaltung zu untersagen, sondern jene der Wiener Polizei und der Wiener Gesunheitheitsbehörden. Dem widersprach FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst, die eine frühere Aussage von Nehammer zitierte, in der er seitens der Exekutive ein „härteres Durchgreifen“ gegen Demo-Teilnehmer forderte.
Wie berichtet, packte dazu auch ein Polizist aus, dass der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit im Innenministerium, Franz Ruf, auf Druck Nehammers anordnete, rigoros gegen die Demonstranten österreichweit, besonders aber am 31. Jänner in Wien bei der nächsten Großdemonstration, vorzugehen.
Nehammer rudert bei “Parlamentssturm” zurück
Nehammer hatte am Demo-Tag auch von sich gegeben, dass Kundgebungs-Teilnehmer versucht hätten, das Parlament zu stürmen. Dem nicht genug verglich er das auch noch mit dem Sturm auf das Kapitol in Washington, wo Menschen zu Tode gekommen sind. Im Parlament ruderte der Innenminister zurück, sprach davon, dass die Polizei über Funk (!) über eine mögliche Gefahr der Parlamentsstürmung erfahren hätte. Blöd außerdem, dass das Parlamentsgebäude am Ring seit dreieinhalb Jahren Baustelle ist und dort seitdem kein Abgeordneter mehr zugegen ist.
“Wie ein Boxer, der in die Luft schlägt”
Die laut FPÖ „vordergründigen Ausreden“ Nehammers verglich die blaue Abgeordnete Susanne Fürst so:
Sie sind wie ein Boxer, der in die Luft schlägt und nicht wahrhaben möchte, dass sein Kampf zu Ende geht.
Schützenhilfe für freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit kam vom SPÖ-Nationalratsabgeordneten Jörg Leichtfried. Er erinnerte Nehammer daran, dass das Versammlungsrecht hart erkämpft worden wäre und dass dafür auch Menschen gestorben seien.
Neos-Abgeordneter Nikolaus Scherack meinte:
Man kann Menschen nicht Versammlungen verbieten, nur weil sie eine andere Meinung haben. Das gilt auch für Zeiten einer Pandemie.