Unter dem reißerischen Titel „Hass im Netz“ wurde gestern, Donnerstag, im Nationalrat ein Gesetz beschlossen, das die Meinungsfreiheit einschränkt und wirklich jeden treffen kann.
Klage auch ohne “Hass im Netz”-Gesetz möglich
Gleich ein Beispiel: Der als linker Kabarettist geltende Florian Scheuba wäre schon ein Fall für Twitter, dessen Tweet sofort zu löschen, um nicht mit einer horrenden Geldstrafe belangt zu werden. Scheuba wird nämlich von der Kurier-Redakteurin Ida Metzger Sexismus vorgeworfen, weil er auf die Frage eines Nutzers, „welchen Job bekommt dann Grasser eigentlich beim Kurier, wenn er nach 2 Jahren ‘raus kann?“, antwortete: „Nebenbuhler von Richard Grasl bei Ida Metzger“.
Mit diesem Tweet unterstellte Scheuba der Kurier-Journalistin ein Naheverhältnis mit dem Mitglied der Kurier-Chefredation, Richard Grasl. Dieser reagierte sauer, empfahl Scheuba eine Entschuldigung und drohte mit Klage, wie oe24 berichtete. Auch der Redakteursrat des Kurier soll eine Klage gegen Scheuba prüfen.
Es gibt also bereits die gesetzliche Möglichkeit, gegen solche „Verleumdungen“ vorzugehen, und im Falle des Falles entscheidet ein Richter darüber, ob hier Grenzen überschritten wurden. Warum also brauchen die Bürger noch ein Gesetz gegen den juristisch kaum klar zu definierenden „Hass im Netz“?
Massiver Eingriff in die Meinungsfreiheit
Das fragt sich auch der freiheitliche Justizsprecher Harald Stefan, der das neue Gesetz als „massiven Eingriff in die Meinungsfreiheit“ bezeichnet. Allein der Begriff „Hass“ habe im Grunde in einer Rechtsordnung nichts verloren. Stefan erinnerte die Justizministerin Alma Zadić (Grüne) schon am Mittwoch in einer Pressekonferenz daran, dass sie selbst vor nicht allzu langer Zeit noch gesagt habe, dass jeder ein Gespür habe, ob eine Grenze überschritten werde. In einer Aussendung bekräftigt er seine Sicht:
Hass ist ein Gefühl und daher juristisch nicht greifbar. Auf einer Gefühlsregung ein Gesetzespaket aufzubauen, ist rechtlich mehr als problematisch. Der Begriff „Liebe“ kommt im Eherecht ja auch nicht vor.
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Orwell’sches “Wahrheitsministerium”
Ähnlich problematisch sei der von der Regierung gern verwendete Begriff der „Fake News“. „Wer nimmt sich das Recht heraus, absolut zu bestimmen, was ‚Fake News‘ sind und was Wahrheit? Es gibt genug Menschen, die an die Schöpfungsgeschichte, wie sie in der Bibel beschrieben ist, glauben, obwohl sie im Sinne der Wissenschaft ‚Fake News‘ sind. Und da wollen wir dann mit dem Strafecht ansetzen?“, so Stefan. Ein Orwell’sches “Wahrheitsministerium” oder eine moderne Inquisition sei abzulehnen, betonte der FPÖ-Justizsprecher.
Kritisch sei auch, dass es weiter in den Händen der Unternehmen wie Facebook oder Twitter liegen soll, rechtliche Entscheidungen zu treffen. Um Konflikte und vor allem hohe Strafzahlungen zu vermeiden, würden die Plattformen beanstandete Postings im vorauseilenden Gehorsam wohl eher löschen.
Änderung auch beim Verhetzungs-Paragraphen
Zudem werde auch der Verhetzungs-Paragraph in diesem Gesetzespaket veränndert, das Stefan liebend gern zurück an den Start schicken würde, weil damit sehr heikles Gebiet betreten werde. Reichte bisher die Beleidigung als Delikt, komme jetzt noch die gekränkte Menschenwürde dazu.
Verwundert ist Stefan auch über den Zeitpunkt des österreichischen Gesetzesbeschlusses, werde die Materie doch derzeit auch auf europäischer Ebene verhandelt und könnte in weiterer Folge im Nachhinein auch EU-rechtswidrig werden.