Es gehört wohl zur Medientaktik des ÖVP-Bundeskanzlers Sebastian Kurz, bei heiklen Diskussionen zum Thema „Corona-Maßnahmen“ nicht selbst teilzunehmen. So musste am Sonntag in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ ÖVP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck ihren Kopf hinhalten. Sie zeichnete ein destaströses Bild der Bundesregierung.
Auf der Suche nach Ausflüchten
Schramböck zeigte sich mit dem Thema „Zwischen Lockdown und Lockerung – Was beschert uns Weihnachten?“ überfordert, ja in mancher Situation gar hilflos. Konfrontiert mit Zahlen vom ersten und im Vergleich dazu zum zweiten „Lockdown“ suchte sie fast schon verzweifelt nach Ausflüchten – eine Strategie, wie die Regierung mit dem Coronavrius umgeht, war jedenfalls nicht zu erkennen.
Bezeichnend dafür: ORF-Moderatorin Claudia Reiterer fragte Schramböck, ob sie nachvollziehen könne, warum die Regierung jetzt Lockerungen beschließe, obwohl die Zahlen der durch Corona zu Tode gekommenen Personen am Ende dieses „Lockdowns“ bei 735 liege, in der letzten Woche des ersten „Lockdowns“ aber „nur“ bei 146? Auch in den Intensivstationen lagen am 13. April 239, am 6. Dezember aber 632 Personen. Reiterer zu Schramböck:
Die Regierung argumentiert ja immer mit Zahlen für ihre Corona-Maßnahmen. Verstehen Sie, dass die Menschen das jetzt nicht mehr nachvollziehen können?
Schwarzer Peter für die Grünen
Schramböck antwortete, sie höre unterschiedliche Themen, jetzt sei man der Forderung der Schulöffnung nachgekommen und im Übrigen würden weiterhin strenge Corona-Regeln gelten. Ohne die Grünen namentlich zu nennen, gab es auch Kritik am Koalitionspartner:
Wäre es nach der ÖVP gegangen, hätte es in Österreich schon eine Woche früher den Lockdown gegeben.
Auf Nachfrage Reiterers, an wen diese Entscheidung gescheitert sei, versuchte Schramböck wieder ausweichend zu antworten:
Es war eine demokratische Entscheidung, wir haben ja einen Koalitionspartner und wir mussten mit der Opposition reden.
Die Grünen und die Opposition sind also, wenn man die Worte Schramböcks richtig interpretiert, schuld an der derzeitigen Situation von Corona-Toten und Intensivstationen-Patienten. „Heiland“ Kurz, der alle Maßnahmen wie ein Messias bei seinen Show-Pressekonferenzen verkündete, hätte nach Schramböcks Aussage mit all dem überhaupt nichts zu tun.
Unwissend über Teststrategie der Bundesregierung
Einmal im Eck, versuchte Schramböck mit einer Attacke auf die Freiheitlichen ihre Situation in der Diskussionsrunde zu verbessern – aber sie scheiterte kläglich. Denn ihr Vorwurf, FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl hätte in einer Pressekonferenz zum Boykott der Massentests aufgerufen, was sie für “verantwortungslos und kontraproduktiv” halte, war nicht nur sachlich, sondern auch fachlich falsch.
Erstens war es nicht Kickl, sondern seine Klubobmann-Stellvertreterin Dagmar Belakowitsch, die in einer Pressekonferenz gesunden Menschen abriet, PCR-Tests zu machen. Zweitens steht genau das, was Belakowitsch gesagt hat, in der Österreichischen Teststrategie SARS-CoV-2 (Version vom 13.10.2020) des Gesundheitsministeriums, wo nachzulesen ist:
(…) Testen ohne begründeten Verdacht erhöht außerdem die Anzahl falsch-positiver Ergebnisse und belastet die vorhandene Testkapazität. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat eine zielgerichtete Teststrategie entwickelt, die sich an den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und des ECDCs orientiert.
Schramböck weiß also nicht einmal, was in der Teststrategie der Bundesregierung steht, dass also sogar Gesundheitsminister Rudolf Anschober von den Grünen aufruft, ohne begründeten Verdacht nicht testen zu gehen.