Nach dem Rücktritt des designierten Ministerpräsidenten Mustafa Adib wurde jetzt neuerlich der Sunnit Saad Hariri mit der Bildung einer neuen Regierung bestellt. Hariri war zuletzt 2016 bis 2019 Ministerpräsident des Libanon. Im Oktober 2019 musste er nach monatelangen Massenprotesten sein Amt zurücklegen, führte aber die Regierung bis zum heurigen Jänner provisorisch weiter.
Sein Nachfolger Hassan Diab führte die libanesische Regierung danach, musste aber nach der Explosionskatastrophe vom 4. August ebenfalls zurücktreten.
Milliardär führt marodes Land
Hariri gehört der führenden politischen Kaste des Libanon an. Er ist der zweitälteste Sohn des im Februar 2005 ermordeten Unternehmers und ehemaligen Regierungschefs Rafiq al Hariri und dessen erster Frau. Nach dem Tod seines Vaters trat Saad dessen politisches und milliardenschweres wirtschaftliches Erbe an. Er gewann mit seiner „Versöhnungs- und Reformliste“ 2005 alle Beiruter Parlamentssitze. Das Endergebnis der in mehreren Durchgängen stattfindenden Wahl 2005 brachte für den von ihm angeführten Wahlblock “Allianz des 14. März” insgesamt 72 der 128 Parlamentsmandate.
Hariri war nach 2005 zwei Mal das Regierungsamt angeboten worden, das nach dem System der paritätischen Machtverteilung einem Sunniten vorbehalten ist. Beide Male verzichtete er jedoch zugunsten von Fuad Siniora, einem ehemaligen engen Weggefährten und politischen Berater seines Vaters.
Komplizierte Machtverhältnisse
Nach einem mehr als zweijährigen Machtvakuum und der gegenseitigen Blockierung an der libanesischen Staatsspitze wurde im Oktober 2016 der frühere Ministerpräsident und christlich-maronitische General Michel Aoun zum Präsidenten gewählt. Dadurch konnte Hariri seine politische Karriere als Ministerpräsident fortsetzen. Durch eine komplizierte Machtbalance fanden Aoun, seit seiner Rückkehr aus dem Exil 2005 mit der schiitischen Hisbollah-Miliz verbündet, und Hariri einen Kompromiss. Hariri wurde deshalb 2016 als Ministerpräsident bestellt.
Jetzt ist er wieder sein eigener, mittelbarer Nachfolger. Ob Hariri die politischen, gesellschaftlichen und ökonomische Nachwehen der Explosionskatastrophe vom 4. August allerdings sanieren kann, bleibt mehr als fraglich.