Langsam aber sicher bekommen die haupt- und nebenberuflichen Lobbyisten innerhalb der ÖVP offensichtlich kalte Füße. Überraschend hat nun der langjährige ÖVP-Multifunktionär Günther Stummvoll das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden beim Glücksspielkonzern Merkur Entertainment AG zurückgelegt und den Aufsichtsrat verlassen. Vorangegangen war eine heftige Diskussion rund um die Unvereinbarkeit dieser Tätigkeit mit Stummvolls Funktion als Vorsitzender des Finanzausschusses im österreichischen Nationalrat.
Bewerber um österreichische Glücksspiellizenzen
Foto: Conor Ogle / flickr (CC BY 2.0)
Die Merkur Entertainment AG ist ein gemeinsames Unternehmen des austrokanadischen Unternehmers Frank Stronach und der bundesdeutschen Gauselmann-Gruppe. Stummvoll war erst Ende August in die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden dieses neuen Unternehmens geholt worden. Gegründet wurde die Merkur Entertainment AG, um am österreichischen Glückspielmarkt kräftig mitzumischen. Aktuell stehen neben der Lotto-Toto-Lizenz auch die Lizenzen für 15 Casinostandorte sowie für eine Poker-Lizenz zur Vergabe. Vergebende Stelle ist das für das Glücksspielmonopol zuständige Bundesministerium für Finanzen. Die Schaffung der dafür notwendigen gesetzlichen Grundlagen und deren Kontrolle finden im von Stummvoll präsidierten Finanzausschuss des Österreichischen Nationalrates statt.
Stummvoll: Personifizierte Sozialpartnerschaft im Hohen Haus
Dass sich Stummvoll auf seine alten Tage als Parlamentarier so einer schrägen Optik aussetzt, liegt laut ÖVP-Insidern wohl auch an der Tatsache, dass er sich selbst als Vertreter der personifizierten Sozialpartnerschaft im Hohen Haus sieht. Stummvoll sieht auf eine langjährige ausschließliche Funktionärskarriere zurück. So war dieser von 1966 bis 1991 Mitarbeiter der Industriellenvereinigung, 1988 bis 1991 Finanzstaatssekretär, 1992 bis 2000 Generalsekretär der Wirtschaftskammer, 1980 bis 1983 niederösterreichischer Bundesrat und seit 1983 bis heute mit einer kurzen Unterbrechung ÖVP-Nationalratsabgeordneter. Die letzten 11 Jahre hatte Stummvoll den Vorsitz des Finanzausschusses inne. In dieser Funktion er offenbar schon 2006 auf den Plan, als er laut Nachrichtenmagazin profil in einem ÖVP-Bruderkrieg eine zweite Internet-Lotto-Lizenz für ein Konsortium aus Telekom und Novomatic gegen den Willen seines Klubobmanns Willi Molterer und des ÖVP-geführten Finanzministeriums in letzter Sekunde verhinderte. Nutznießer waren damals die Österreichischen Lotterien, die alleiniger Anbieter blieben. Jetzt hat den Multifunktionär wohl selbst der Mut verlassen, und er nimmt Abstand davon, "ein Stück Weges mit der Glücksspielliberalisierung" zu gehen.
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