Nachdem am Samstag ein Feuerwehrmann von einer “Männer”-Gruppe bei einer sinnlosen Attacke getötet wurde, als er privat am Weihnachtsmarkt auf dem Augsburger Königsplatz unterwegs war, wird von den Medien einmal mehr nach Erklärungen gesucht. Dass es sich auch diesmal bei dem Tatverdächtigen um einen Migranten – mit sogar drei Staatsbürgerschaften – handelte, spielt für die “Experten” auch diesmal kaum eine Rolle. Einer von ihnen kommt mit einem altbekannten, aber nicht bewährten Vorschlag.
Eine “Armlänge Abstand” halten?
Einer dieser “Experten” soll Martin Rettenberger, Professor für forensische Psychologe, sein: Rettenberger leitet die Kriminologische Zentralstelle in Wiesbaden (KRMZ), hier sollen Verbrechen und deren Ursachen erforscht werden. Gegenüber dem BR gab Rettenberger in einem Interview Tipps, wie man sich in einer gefährlichen Situation wie der unerwünschten Begegnung mit den vielzitierten Gruppen “junger Männer” verhalten sollte: Am besten sei es, einfach Abstand gegenüber den Aggressoren zu halten. Dies hatte ja schon Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker den weiblichen Opfern der massenhaften Sex-Überfälle von Migranten in der Silvesternacht 2015/16 geraten und sich damit lächerlich gemacht.
Es gebe zwar keine Patentlösung, wenn man es mit Straftaten von Gruppen “Jugendlicher” zu tun habe, es wäre aber sinnvoll, umstehende Passanten anzusprechen oder die Polizei zu kontaktieren, bevor man eingreift, betont Rettenberger. Da es sich oft um “Menschen mit hoher Gewaltneigung” handeln soll, ist es für den KRMZ-Direktor wichtig, möglichst “unbedrohlich” aufzutreten.
Und, ganz wichtig: Wir wissen aus der Forschung von Menschen mit hoher Gewaltneigung, dass sie selbst neutrale Situationen sehr schnell als bedrohlich wahrnehmen. Das heißt, sie glauben schnell, dass sie sich verteidigen müssen. Deshalb ist eine klare Ansprache gut, ohne selbst bedrohlich zu wirken oder dem anderen zu nahe zu kommen. Damit kann man sich auch selbst in so einer schwierigen Situation schützen.
Junge Menschen werden häufiger kriminell
Dass ein 17-jähriger und seine Kameraden wie im Falle des Verbrechens vom Augsburger Königsplatz dermaßen grundlos gewalttätig werden kann, erklärt sich Rettenberger mit dem Alter der Täter: Junge Menschen seien generell häufiger gewalttätig – ein Motiv hinter der sinnlosen Prügelattacke kann aber auch der Universitäts-Professor nicht erkennen:
Leider ist die Gruppe der Jugendlichen und Heranwachsenden, also die Gruppe der Personen, die zwischen 14 und 21 Jahre alt ist, im Bereich der Straftaten allgemein, aber vor allem auch der Gewaltstraftaten, die Gruppe, die am stärksten belastet ist. Delikte, wie wir sie hier in Augsburg gesehen haben, sind leider nicht wirklich zu erklären. Es gibt kein echtes Motiv, das dahintersteht.
Kultureller Hintergrund nicht wichtig
Mit dem kulturellen Hintergrund der Täter habe dies natürlich nichts zu tun: Solche Taten sollen sich laut Rettenberger bereits in den “Auffälligkeiten in den Lebensläufen” ankündigen, es seien oft Persönlichkeiten mit sozialen Defiziten, die in kriminelle Strukturen abrutschen: “Dann finden sie oft Anschluss an sogenannte gewalt-affine Subkulturen. Es bilden sich kleine Gruppen heraus, in denen sich dann diese Jugendlichen zusammenschließen, sich gegenseitig bestärken und dann die letzte Verbindung zur Gesamtgesellschaft verlieren und kappen.”, so der Leiter der Kriminologischen Zentralstelle.
Staatsbürgerschaft und Ethnie der Täter “nicht überbewerten”
Aspekte wie Staatsbürgerschaft, kulturelle und ethnischer Hintergrund würden zwar vor allem in den klassischen Einwanderungsländern USA, Kanada und Australien seit langer Zeit thematisiert werden und auch im Fokus der kriminologischen Forschung stehen – besonders viel Bedeutung solle man diesen Aspekten nicht beimessen:
Man sollte darüber sprechen. Ich warne aber davor, einzelne Aspekte überzubewerten und einzelne Merkmale von Tätern herauszugreifen. Wenn wir etwas Sinnvolles dazu beitragen wollen, solche Straftaten zu verhindern, dann ist das alleinige Betrachten einzelner Merkmale wenig sinnvoll.
“Subjektive Wahrnehmung weicht ab”
Schließlich weiß der Experte noch zu beruhigen, was die Ängste der Bevölkerung angeht: Obwohl die meisten Menschen den Eindruck hätten, dass vor allem die Anzahl der Gewaltdelikte in Deutschland massiv zunehmen würde, würden die Zahlen etwas anderes aussagen:
Auch in Deutschland sehen wir einen Rückgang der Gewaltkriminalität generell und auch bei Jugendlichen und Jungen. Vor allem in den letzten zehn Jahren. Die subjektive Wahrnehmung weicht davon ab und dafür gibt es mehrere Gründe: Wir sprechen heute deutlich intensiver und häufiger über diese Gewaltdelikte. Und, Informationen und Bilder einzelner Delikte werden heute deutlich mehr weiterverbreitet, als das noch vor 10, 20 oder 30 Jahren der Fall war.