Die Republik Österreich hat keinen Vizekanzler mehr. Justizminister Clemens Jabloner ist bereits am 1. Oktober, also zwei Tage nach der Nationalratswahl, zurückgetreten. Seit diesem Zeitpunkt ist der SPÖ-nahe ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs nur mehr Ressortchef im Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz. Einen eigenen Vizekanzler soll es erst wieder nach der Angelobung einer neuen Bundesregierung in einigen Monaten geben.
Die Tageszeitung Standard behauptet zwar, dass dies bei Übergangsregierungen nach einer Wahl immer so wäre, Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) allerdings übte sein Amt als Vizekanzler neben seiner Funktion als Ressortchef bis zum Dezember 2017 aus und übergab dann an Heinz-Christian Strache (FPÖ). Auch Michael Spindelegger war bis zur Angelobung der neuen Regierung als Vizekanzler im Amt. So auch seine Vorgänger.
Die Präsidentschaftskanzlei begründet das gegenüber unzensuriert wie folgt:
Die Bestellung einer einstweiligen Bundesregierung ist in Artikel 71 B-VG geregelt. Der Artikel 71 B-VG sieht das Amt des Vizekanzlers nicht vor. Bei einer einstweiligen Bundesregierung – eine solche wurde bisher nach jeder Wahl eingesetzt – vertritt gemäß Art. 69 Abs. 2 B-VG der dienstälteste, bei gleichem Dienstalter der an Lebensjahren Älteste, die Bundeskanzlerin.
Die Funktion eines ernannten Vizekanzlers ist auf die Vertretung des Bundeskanzlers / der Bundeskanzlerin im Fall der Verhinderung beschränkt. Im Übrigen hat er keine andere Rechtsstellung als ein anderer Bundesminister. An der Rechtsstellung von BM Jabloner ändert sich nichts, weil er als ältestes Mitglied der einstweiligen Bundesregierung zur Vertretung der Bundeskanzlerin berufen ist.
Möchten Kurz und Bierlein SPÖ von den Informationen abschneiden?
Gut informierte Kreise am Wiener Ballhausplatz gehen von einem anderen Grund für die Nichtweiterbestellung von Jabloner aus. So soll es hinter den Kulissen von ehemaligen Kabinettmitgliedern der ÖVP-Minister bereits umfangreiche Strategien für die künftigen Regierungsverhandlungen mit den Grünen geben. Und da sei es naheliegend, dass man Jabloner als Gewährsmann der SPÖ von wichtigen Informationen abschneide. Bei diesem Schachzug haben offensichtlich auch die ÖVP-nahe Übergangsbundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Bundespräsident Alexander Van der Bellen mitgespielt.
Gleichzeitig ist Jabloner in seinem eigenen Ressort weiterhin mit der Aufräumarbeit betreffend massiver Versäumnisse der ÖVP-Justizpolitik konfrontiert. Eine Tatsache, für die in der ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse nur mäßige Begeisterung aufkommt.