Auch Spanien hat bei der WM seine "Multi-Kulti-Geschichte". Hier kommen die Spieler nicht aus beinahe allen Kontinenten, wie bei Deutschland oder Frankreich, sondern aus allen Landesteilen und sorgen, wenn man den aktuellen Jubelberichten vieler Medien glaubt, für großes Zusammengehörigkeitsgesfühl trotz massiver Wirtschaftskrise und vielerorts gelebtem Separatismus.
Doch in Wahrheit wird gerade in jenen Regionen, deren Autonomie am weitesten entwickelt ist, die sich dennoch lieber ganz von Madrid abwenden würden – nämich in Katalonien und im Baskenland – die aufkeimende Begeisterung für die spanische Nationalelf mit großer Skepis beäugt, wenn nicht sogleich brutal unterdrückt. In der baskischen Stadt Pamplona stachen Extremisten unlängst den Träger eines spanischen Nationaltrikots nieder.
Auch ein echter Katalane hält nicht zu Spanien, obwohl in ihm großteils Spieler des FC Barcelona stehen und dessen Urgestein Carles Puyol die Mannschaft gegen Deutschland ins Endspiel geköpfelt hat. Emotional wurden die Katalanen nur, als Superstar David Villa nach einem Tor falsch gejubelt hat, nämlich in der Pose eines Torerros. Stierkampf ist in Katalonien jedoch verpönt. Es hätte kaum jemanden gekratzt, wäre Villa "nur" Nationalspieler, nachdem er nächste Saison jedoch für den FC Barcelona spielt, muss er wissen, wie man sich dort benimmt – er entschuldigte sich auch sogleich artig.
Doch auch Villa ist kein Spanier im engeren Sinn – er ist Asturier und nutzt seine Beliebtheit gern für eine politische Botschaft: "Katalanisch, Galizisch und Baskisch werden offiziell als Amtssprachen anerkannt. Asturien hat es verdient, gleichberechtigt behandelt zu werden."
In der spanischen Mannschaft haben die Zwistigkeiten zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen im Land offenbar keinen Platz. Tiqui-Taqua läuft von Katalanen zu Basken zu Asturiern, Andaluiern und Madrilenen. Sie alle spielen brav für Spanien – doch für wen spielt Spanien?