Im Bezirk Van, im Osten der Türkei fand am Samstag dem 18. September erstmals seit fast hundert Jahren wieder ein armenischer Gottesdienst statt. Dies ist im Prinzip ein erfreuliches Ereignis, ist es doch ein kleines Zeichen der Annäherung zwischen der Türkei und Armenien. Bis zum Ersten Weltkrieg war Van eines der Zentren der armenischen Volksgruppe in der Türkei. Die Kirche zum Heiligen Kreuz, in der die Messe stattfand, stammt aus dem 10. Jahrhundert und stellt damit einen großen historischen Wert dar. Daneben war sie bis Ende des 19. Jahrhunderts Sitz eines armenisch-orthodoxen Patriarchen und ist deswegen auch von großer ideeller Bedeutung für die Armenier.
Dieser Gottesdienst ist deswegen durchaus ein Ereignis, über das es sich zu berichten lohnt – wie dies auch der ORF am 19. September tat. Im Gegensatz zum Gottesdienst ist der ORF-Bericht aber wesentlich weniger erfreulich. Dort kann man nämlich lesen, dass es seit 95 Jahren keine armenischen Messen mehr in der Türkei gab, da die Armenier "vertrieben" worden seien. Den brutalen Völkermord als "Vertreibung" zu verniedlichen, ist eine unglaubliche Verhöhnung der Opfer. Nach verschiedenen Schätzungen fielen zwischen 300 000 und 1,5 Millionen Armeniern den Massakern zum Opfer, 600 000 Überlebende wurden aus dem Land getrieben.
Armenische Opfer des Völkermordes
Obwohl die Tatsachen klar auf dem Tisch liegen, weigert sich die Türkei bis heute den Völkermord anzuerkennen. Kritiker dieser Haltung, welche die Fakten in der Türkei klar aussprechen, müssen sogar mit einem Strafverfahren wegen Verunglimpfung des Türkentums rechnen, wie dies dem Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk widerfuhr. Der zuständige ORF-Redakteur muss sich diesbezüglich keine Sorgen machen, lässt er doch in seinem Bericht den Völkermord einfach unter den Tisch fallen.
Der EU-Beitrittskandidat Türkei soll möglichst nicht in schlechtem Licht dastehen, und die hier ansässigen Türken dürfen bloß nicht vor den Kopf gestoßen werden – so wollen es die linken Meinungsmacher. Dafür wird auch die eine oder andere Geschichtslüge in Kauf genommen. Vom Bildungsauftrag des ORF ist ohnehin nichts mehr zu erkennen, da muss man es mit der Wahrheit auch nicht so genau nehmen.
Foto: Henry Morgenthau