Das Bild ist bekannt: Behinderte Menschen oder Kinder, vornehmlich aus Osteuropa, sitzen in gut frequentierten Straßen der Großstädte und versuchen, Passanten einen finanziellen Obolus abzuknöpfen. Das erbettelte Geld landet trotzdem nicht bei den schutzbedürftigen Personen, sondern bei skrupellosen Geschäftemachern die sich persönlich bereichern. Für die Bettler bleibt fast nichts übrig, sie leben unter widrigsten Bedingungen in ständiger Angst.
Weil die meisten Landesgesetze zwar ein Verbot von aggressivem, also aufdringlichem Betteln vorsehen, dies aber in Realität nahezu unkontrollierbar ist, haben die organisierten Bettelbanden weiterhin freien Lauf. Besonders zur bevorstehenden Weihnachtszeit ist ein erneuter Anstieg zu erwarten. Die steirische FPÖ-Abgeordnete Susanne Winter schlägt daher schon seit geraumer Zeit ein generelles Bettelverbot samt harter Kontrolle und Sanktionierung als einzig soziale Lösung vor, um bedürftige Personen wie Kinder und Behinderte vor der Ausbeutung durch die Bettelmafia zu schützen.
Bisher konnte sich beispielsweise die steirische Landesregierung, aber auch die schwarz-grüne Stadtregierung in Graz nicht zu einem solchen Verbot durchringen. In der Landeshauptstadt wurde eigens eine Bettelstudie von der ehemaligen SPÖ-Sozialstadträtin Elke Edlinger in Auftrag gegeben, die jedoch keine neuen Informationen brachte. Im Gegenteil: Die 12 befragten Bettler bestätigten den Eindruck, den die Bevölkerung täglich wahrnimmt, weil sie im Gegensatz zu den verantwortlichen Politikern nicht die Augen vor der Problematik verschließt. VP-Bürgermeister Siegfried Nagl versucht nun als Scheinlösung, ein mögliches Bettelverbot einer Volksbefragung zu unterziehen. Damit würde sich allerdings auch die Koalition „erledigen“, tönte Vizebürgermeisterin Lisa Rücker von den Grünen.
Noch bevor tatsächlich ein generelles Bettelverbot in Kraft treten würde, könnte dieses schon wieder fallen. Die Vinzenzgemeinschaft Eggenberg hat am nämlich beim Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gegen das allgemeine Bettelverbot des Landes Salzburg eingereicht, die nun zu einem Präzedenzfall werden könnte.
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Bemängelt wird in dem Gesetzesprüfungsverfahren die mögliche Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens und des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung. Ähnlich wie im Fall der steirischen Stadt Fürstenfeld, wo der Verfassungsgerichtshof das örtliche Bettelverbot im Dezember 2007 aufhob, weil kein gemeindespezifischer Missstand im Sinne der verfassungsrechtlichen Anforderungen vorgelegen habe, könnte damit auch der entsprechende Paragraf im Salzburger und Tiroler Landessicherheitsgesetz kippen. 1998 hatte schon der deutsche Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Fall des generellen Bettelverbots in Stuttgart entschieden, das Betteln von in Not geratenen Menschen sei "als Erscheinungsform des öffentlichen Zusammenlebens hinzunehmen und nicht generell als polizeiwidriger Zustand zu werten."
Damit könnte die Bettelproblematik in Österreich eine drastische Verschärfung erfahren. „Unter der Vorspiegelung von Hilfe für Menschen in Notsituationen wird eine Ausnahmeregel geschaffen, die sich vor allem die organisierte Bettelmafia zu Nutze machen wird", meint Winter. Jene, die gegen Bettelverbote juristisch vorgehen, müssten sich auch die Frage stellen, ob sie es moralisch vertreten können, die Vorbereitungsarbeit für kriminelle Banden zu erledigen, die Behinderte und Kinder ausbeuten.
Foto: Mattes / Wikimedia Commons