Entweder weiß im Finanzministerium die rechte Hand nicht was die linke tut, oder Finanzminister Josef Pröll belügt das Parlament. Diese zwei Möglichkeiten gibt es, nachdem der Kurier über die Besteuerung von Rücklagen im gemeinnützigen Wohnbau berichtet hat. Noch am 10. September dieses Jahres teilte Pröll in der offiziellen Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage folgendes mit: „Die Anfrage kann nicht beantwortet werden, da die für die Schätzung erforderlichen Daten in den Datenbanken der Finanzverwaltung nicht zur Verfügung stehen.“ Dagegen sagt ein Sprecher des Finanzministerium dem Kurier: „Dem Finanzamt sind die Daten sehr wohl bekannt.“
Foto: weisserstier / flickr
Diese Posse zeigt einmal mehr, wie die Verantwortlichen ihre Privilegien schützen wollen. Keiner nennt Zahlen, wenn es um Rücklagen bei Genossenschaften geht. Um Rücklagen, für die keine Körperschaftssteuer eingehoben wird. Daher kann man die Summen nur vermuten: FPÖ-Nationalratsabgeordneter Martin Graf schätzt, dass acht Milliarden Euro in den Töpfen liegen – und damit zwei Milliarden an Steuerpotenzial im ersten Jahr. Weil aber alle schweigen, gibt es die wildesten Vermutungen. Etwa jene, dass diese Milliarden zum Teil bei Spekulationsgeschäften verloren gingen – ähnlich wie beim Wohnbaugeld des Landes Niederösterreich.
Genossenschaften prüfen sich selbst
Karl Wurm vom Verein Gemeinnütziger Wohnbauträger (GBV) und Ämterkumulierer bei den Genossenschaften, spricht im Kurier-Artikel davon, dass das Geld in den Töpfen verschwindend gering sei. Um eine Vorstellung zu bekommen, was für Worm "verschwindend gering" ist: Die Gesiba, die unter anderem den Wohnpark Alt-Erlaa erreichtet hat und dort die Mieter schröpt, weist per 31.12.2009 Gewinnrücklagen in der Höhe von knapp 110 Millionen Euro aus, davon sind nur knapp neun Millionen gesetzliche Rücklagen.
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Die fristgerechte Verwendung der Rücklagen werde bei der jährlichen Revision durch den Verband überprüft, sagt Wurm. Dazu muss man wissen, dass sich die Genossenschaften bei der jährlichen Revision praktisch selbst prüfen. Eine Augenauswischerei! Eine klassische Unvereinbarkeit, die offensichtlich keinen stört. Außer Martin Graf, der in einem parlamentarischen Antrag die Überprüfung der gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen durch den Rechnungshof forderte. Bislang ohne Erfolg.
Parlamentarische Enquete geplant
Das Positive: Nach der „bauzeitung“, die einen Round-Table zu den „Genossenschaftswohnungen“ veranstaltete, hat nun auch der Kurier mit dem Artikel „Genossenschaftswohnung: Steuerzuckerl am Prüfstand“ den Finger in die Wunde gelegt. Martin Graf plant für 2011 eine parlamentarische Enquete zum Thema „Leistbares Wohnen“. Angestrebt werden Gesetzesänderungen im Wohnungsgemeinützigkeitsgesetz (WGG). Wichtigste Forderungen: Die Abschaffung der Auslaufannuitäten und der Eigentumserwerb durch die Mieter ohne Mehrkosten.
Phantom-Kredite werden bezahlt
Was heißt das? In der derzeitigen Praxis zahlen die Genossenschaftsmieter Phantom-Kredite. Der Wohnungsnutzer hat in der Regel nach 25 Jahren sowohl das Darlehen für die Wohnbauföderung als auch das Darlehen für den Kredit, den die Genossenschaft aufgenommen hat, zurückgezahlt. Der Mieter dürfte nach dem Kostendeckungsprinzip (weil die Genossenschaften ja gemeinnützig wirtschaften sollten) nur noch für die Erhaltung des Gebäudes, für die Verwaltung und die Betriebskosten aufkommen. Der so genannte Kapitaldienst müsste zur Gänze entfallen. Stattdessen kassieren die Genossenschaften ein unwesentlich geringeres Nutzungsentgelt ungeniert weiter und machen dadurch beträchtliche Gewinne.
Die Mieter kaufen ihre Wohnung doppelt
Die Mieter sollen ihre Wohnung, wenn sie diese ins Eigentum übernehmen wollen, auch nicht doppelt bezahlen müssen. Manche Gemeinnützigen bieten den Nutzern ihre Wohnung nach zehn Jahren zum Kauf an. Der Mieter hat bis dahin mit dem Finanzierungsbeitrag den Grundstücksanteil finanziert und laufend die anfallenden Darlehen (Wohnbauförderung und Bankkredit der Genossenschaft) bezahlt. Nach zehn Jahren übernimmt der Eigentümer sämtliche Darlehensverpflichtungen und hat somit sämtliche Kosten für die Wohnung gedeckt. Glaubt man. Denn die Genossenschaften verlangen mehr, nämlich zusätzlich einen hohen Betrag, der nach dem aktuellen Marktpreis errechnet wird. Dieses Geld stecken die Genossenschaften dann als Gewinn ein.
Wir will, kann gegen diese Machenschaften aktiv etwas tun – mit der Unterzeichnung der Petition „Leistbares Wohnen im gemeinnützigen Wohnbau“.