Auf großes Medieninteresse stieß die heutige Pressekonferenz des Anwalts jener zweier Opfer, welche den größten Kindesmissbrauchsfall im Verantwortungsbereich der Gemeinde Wien ins Rollen brachten. Unzensuriert berichtete. "Empören sie sich" forderte er die Medienvertreter und die Öffentlichkeit auf. Die Schilderungen seiner Mandantinnen seien "absolut authentisch und glaubwürdig", so Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck. "Eine Geschichte dieser Art kann man nicht erfinden", so der Anwalt weiter. Bestätigt sieht er sich in seiner Auffassung, da die Stadt Wien einer seiner Mandantinnen bereits 35.000 Euro bezahlt habe, was weit über den Auszahlungsbeträgen für schwere Fälle von 25.000 Euro liegt. Seine zweite Mandantin warte unerklärlicher Weise noch immer auf eine Entschädigung.
Viele weitere Opfer melden sich
die Gemeinde Wien auf, zu ihrer Verantwortung zu stehen.
Foto: Unzensuriert.at
Unter vielen anderen Opfern, welche sich bei ihm persönlich gemeldet hätten, sei auch eine Dame, die in den Jahren 1948 bis1953 im Heim aufhältig war. Sie berichtet, dass die Missbräuche am Schloss Wilhelminenberg schon zu dieser Zeit System waren. Auch lägen ihm mittlerweile klare Indizien vor, die dafür sprechen, dass es Todesfälle gab. Ein Opfer, welches in Folge körperlicher Misshandlungen verstarb, und der Name des mutmaßlichen Täters seien bereits bekannt, berichtete Öhlböck.
Konkret wisse er von 343 Opfern, die sich gemeldet hätten. Der Jugendanwaltschaft wären schon über 400 Fälle bekannt und ständig meldeten sich weitere Opfer, auch bei Medien, die über den Fall berichteten. Er selbst glaube an eine Dunkelziffer im vierstelligen Bereich.
Nicht alle müssen von Vergewaltigungen gewusst haben
Durchaus für möglich hält Öhlböck den Umstand, dass nicht alle Erzieherinnen und auch nicht alle Kinder von den Vergewaltigungen Kenntnis hatten. Vielmehr sei wahrscheinlich, dass die Vergewaltigungen nur in bestimmten Schlafsälen, wenn bestimmte Erzieherinnen Nachtdienst hatten, stattfanden
Stadt Wien soll sich ihrer Verantwortung stellen
Der Anwalt fordert eine "sofortige, lückenlose und schonungslose Aufklärung der Verbrechen, ohne Rücksicht auf Amt, Würde und Ansehen einzelner Personen" und mahnt die moralische Verpflichtung der Stadt Wien ein, den Opfern Genugtuung zu verschaffen.
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Die Gemeinde Wien sei erst sehr spät nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle tätig geworden, und die Erkenntnisse zweier Kommissionen seien mangelhaft. In diesem Zusammenhang stellt Öhlböck die Frage in den Raum, wovon die Kommission bisher wisse. Daher fordert er eine dritte Kommission, diesmal unter Beteiligung aller politischer Parteien, die ihrerseits Experten namhaft machen sollen. Öhlböck sieht eine Chance für eine Aufklärung, wenn man es will, und fordert eine Suche nach den unmittelbaren Tätern. Die Gemeinde Wien sowie der freiheitliche Landtagsabgeordnete Johann Gudenus hätten bereits Strafanzeige erstattet. Nun sei die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen verpflichtet.
Das Argument der Verjährung dürfe keine Rolle spielen. Dabei wies er auf ein Urteil des britischen Höchstgerichtes aus dem Jahr 2008 hin, das berücksichtigte, dass Kindesmissbrauchsopfer oft Jahrzehnte benötigten, um gegen die Täter vorzugehen. Ein gleicher Standard sollte auch für Österreich gelten. Besonders ungerecht sei der Umstand, dass in Fällen der Verantwortlichkeit von Gebietskörperschaften eine Verjährungsfrist von nur 10 Jahren zum Tragen kommt, während die übliche Verjährungsfrist in Vergewaltigungsfällen 30 Jahre betrage. Hier sei der Gesetzgeber gefordert, diesen Missstand zu beseitigen.