Wenn der Herausgeber eines Revolver-Magazins, ein sensationsgeiler Thema-Journalist, ein Promi-Anwalt mit eigenem Promifaktor und ein parteinaher Karriere-Staatsanwalt sich einhellig große Sorgen über die Persönlichkeitsrechte einer jungen Frau machen, ist Skepsis geboten. Eine Skepsis, die in der ORF-Diskussion "Im Zentrum" weitere Nahrung fand, und mit ihr das Unbehagen, dass an dieser Causa Natascha Kampusch einiges faul ist.
Besonnene "Verschwörungstehoretiker" – nervöse Beschwichtiger
dabei, sämtliche Zweifel an den Ermittlungsergebnissen wengzuwischen.
Foto: ORF/Feurstein – Ali Schafler
Eigentlich hätten sich die angeblichen „Verschwörungstheoretiker“ – der ehemalige OGH-Präsident Johann Rzeszut und die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein – sehr erregen müssen über die Beschwichtiger auf der anderen Seite. Doch sie argumentierten ruhig und sachlich, während beinahe jeder Satz von ihnen auf der anderen Seite zu lauten, teils hysterischen Gegenreaktionen führte. Die Körpersprache von ORF-Journalist Christoph Feurstein und Oberstaatsanwalt Thomas Mühlbacher war in dieser Debatte besonders verräterisch. Anwalt Manfred Ainedter hatte sich besser im Griff, was wohl an seinem primär pekuniären Interesse an der Angelegenheit liegt. Er vertritt den bereits mehrfach in Verdacht geratenen, aber stets freigesprochenen Priklopil-Freund Ernst H.
Moderator im Verteidigungsdoppel mit eigenem ORF-Kollegen
NEWS-Herausgeber Peter Pelinka verließ in dieser Diskussion mehrmals den Pfad des objektiven Moderators –am deutlichsten, als er den Vorschlag des Gerichtspsychiaters Reinhard Haller, alle Fakten auf den Tisch zu legen und ausländische unabhängige Experten untersuchen zu lassen, abschmettern wollte und zu diesem Zweck direkt an Feurstein überleitete, der sich volle siebzig Minuten lang blamierte wie kaum ein anderer vor ihm in derartigen Diskussionen.
Streit der Journalisten um das erste Interview
Abgesehen davon, dass Feurstein am eifrigsten, wenn auch – durch sein großes journalistisches Glück Natascha Kampusch geblendet – vielleicht am unbedarftesten jeden Zweifel an merkwürdigen Ermittlungsergebnissen vom Tisch wischte, lebt der Mann offenbar in der Traumwelt, er sei von Kampusch für ihr erstes Interview „erwählt“ worden. Dem musste sogar Pelinka widersprechen, zumal sein verstorbener NEWS-Kollege Alfred Worm es war, der mit Kampusch die ersten für die Medien bestimmten Worte nach dem Ende ihrer Gefangenschaft wechselte. Die Behauptung, dafür sei kein Cent gezahlt worden, ließ Kenner der Szene jedoch herzhaft auflachen.
Woher kommen die frisierten Akten?
Die Zweifler kamen mit ihren Argumenten kaum durch, insbesondere Rzeszuts Seriosität wurde – meist vom Moderator – mit billigsten Mitteln in Zweifel gezogen. Belakowitsch-Jenewein allerdings landete einen Volltreffer, als sie nachweisen konnte, dass dem geheimen Parlamentsausschuss, der sich derzeit mit der Causa Kampusch beschäftigt, frisierte Unterlagen übermittelt wurden. Staatsanwalt Mühlbacher dementierte heftig und gestenreich, dass die Staatsanwaltschaft diese Akten manipuliert haben könnte.
Unabhängige Aufklärung ist Gebot der Stunde
Am Ende ist es wohl genau der von Psychiater Haller gemachte Vorschlag, den Pelinka so eifrig bekämpfte, der die verfahrene Situation retten kann. Man wird tatsächlich in Österreich keinen unvoreingenommenen Polizisten oder Staatsanwalt mehr finden. Jeder kennt jemanden, der persönlich involviert war oder ist in die Ermittlungen. Sämtliche größere Staatsanwaltschaften waren schon damit befasst. Daher wäre es wohl am vernünftigsten, den Aktenbestand ausländischen Experten vorzulegen und diese über die weiteren Ermittlungsschritte beschließen zu lassen. Wenn allerdings auch sie – wie offenbar die Nationalratsabgeordneten – frisierte Akten erhalten, ist das sinnlos.