Relativ knapp ging die die ägyptische Präsidentschaftswahl für das neue Staatsoberhaupt Mohammed Mursi aus. Mit 52 Prozent hat der Kandidat der Muslimbruderschaft den ehemaligen Ministerpräsidenten Mubaraks, Ahmed Shafik (48 Prozent), geschlagen. Eigentlich hätte das Endergebnis bereits am vergangenen Donnerstag durch die Wahlkommission bekanntgegeben werden sollen. Mehr als 400 Einsprüche wegen inkriminierter Wahlmanipulationen verhinderten jedoch eine zügige Auszählung. Mit 51 Prozent haben lediglich etwas mehr als die Hälfte der ägyptischen Wahlberechtigten an der Stichwahl teilgenommen. Somit kann sich Mursi nur auf ein gutes Viertel der Ägypter in seiner zukünftigen Amtsführung stützten.
Mursi muss Macht in Kairo teilen
Nicht nur die geringe Unterstützung für das neue Staatsoberhaupt ist ein Unsicherheitsfaktor für den zukünftigen innen- und außenpolitischen Kurs Ägyptens. Nachdem Mitte Juni das erst im Februar 2012 gewählte Parlament durch das Verfassungsgericht – und damit den dieses Höchstgericht lenkenden Militärrat – aufgelöst worden war, stehen in den nächsten Monaten auch Parlamentswahlen ins Haus. Im ursprünglich gewählten Parlament hatte Mursis Wahlpartei Freiheit und Gerechtigkeit (FJP) gemeinsam mit verbündeten Gruppierungen eine deutliche Mehrheit. Ob sich dies nach dem knappen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen wiederholen lässt, bleibt ungewiss.
Militärrat hat Kompetenzen des Präsidenten stark reduziert
Dazu kommt, dass der bisher herrschende Militärrat weiterhin den Kurs mitbestimmen wird. Unmittelbar vor dem zweiten Wahlgang für die Präsidentschaftswahlen hatte der Militärrat nicht nur das Mursi-freundliche Parlament auflösen lassen, sondern auch die Kompetenzen des Präsidentenamtes beschnitten. In Vorahnung, dass Mursi und damit ein Moslembruder gewinnen könnte, hatte man weitreichende Verfassungsänderungen durchgeführt. Unter anderem hat der Präsident ohne Zustimmung des Militärrates keinen Zugriff auf die ägyptischen Streitkräfte. Auch alle das Militär betreffenden Personal- und Finanzentscheidungen sind ihm vollkommen entzogen. Diese Situation erinnert an jene Praxis, mit der sich auch das kemalistische Militär in der Türkei über Jahrzehnte an der Macht hielt.