Das Video auf Ibiza wirft die Frage auf, ob diese Form von Enthüllungsjournalismus auch zulässig ist.

26. Mai 2019 / 11:45 Uhr

Ibiza-Video ist kein Enthüllungsjournalismus

Das Video auf Ibiza, das zu HC Straches Rücktritt als Vizekanzler führte, wirft die Frage auf, ob diese Form von Enthüllungsjournalismus auch zulässig ist. Richard Soyer, der Anwalt von Ramin M., der im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video steht und dies auch zugab, meinte, dass ein verdeckter Kameraeinsatz im Enthüllungsjournalismus zur Aufdeckung von Missständen zulässig sei. Soyer beruft sich dabei auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Vieles spricht dafür, dass die Argumentation des Enthüllungsjournalismus nicht hält.

Kommentar von Unzensurix

Denn die entsprechenden Passagen der besagten Entscheidung des EGMR lassen sich mit dem Ibiza-Video nur bedingt – wenn überhaupt – vergleichen. Der EGMR beschäftigte sich mit den Geschäftspraktiken von Versicherungsmaklern. Einem Makler eines nicht namentlich genannten Unternehmens wurde eine Falle gestellt. Eine Journalistin, die sich als Klientin ausgab, wollte eine Lebensversicherung abschließen. Der Makler wurde in eine Privatwohnung eingeladen, das Gespräch heimlich mitgefilmt. Dem Makler passierten zwei Fehler. In einem Hinterzimmer wurde das Gespräch beobachtet. Noch während der Makler in der Wohnung war, wurde er von einem Experten und anderen Journalisten über die Fehler informiert und auch darüber, dass das Gespräch aufgenommen worden war. Der Makler wurde übrigens unkenntlich gemacht. Auch bei der Veröffentlichung des Beitrags konnte man die Person nicht erkennen.

Dazu muss festgehalten werden: HC Strache wurde nicht unkenntlich gemacht, sondern es galt, ihn ganz bewusst anzuprangern. Beim Makler ging es darum, dass er nicht nur Fehler vor laufender Kamera getan hat, sondern in der Vergangenheit ebenfalls durchgeführt haben könnte. Bei Strache gibt es keine strafrechtlich relevanten Missstände, die er bis zum damaligen Zeitpunkt begangen hatte, sondern maximal um Gedankenspiele, die er in Zukunft angehen könnte, aber ohnehin nicht tat. Es wurde also gezielt versucht, Strache zu einer strafbaren Handlung anzustiften. Und er wurde auch nicht im Zuge des Treffens von Journalisten konfrontiert.

Täter waren keine Journalisten

Und überhaupt: Die im EGMR angeführten Beschwerdeführer sind allesamt Journalisten. Bei den verdächtigen Personen, die mit Straches Fall in Verbindung stehen, dürfte keine einzige dabei sein, die bei einem Medium arbeitet oder sonstwie nach journalistischen Kriterien tätig ist. Auch kein Medium scheint als Auftraggeber auf. Dass das Material letztendlich an Medien weitergegeben wurde, rechtfertigt nicht das Argument, dass die Aufnahmen im Zuge eines “Enthüllungsjournalismus” zustande gekommen sind.

Somit fällt Richard Soyers Argument für einen “Enthüllungsjournalismus” jedenfalls komplett ins Leere. Mag sein, dass es ähnliche Entscheidungen in anderen Rechtsfragen gegeben hat. Ramin M dürfte nach derzeitigem Stand aber wohl eher schlechte Karten haben.

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