Schon am ersten Verhandlungstag am Verfassungsgerichtshof (VfGH) zur Wahlanfechtung der FPÖ offenbarten sich haarsträubende Gesetzesübertretungen bei der Briefwahlauszählung in zahlreichen Bezirken. Bisher war es jedoch so, dass dem Anschein nach die Bezirkshauptmannschaften bzw. Bezirkswahlbehörden sich aus eigenem Antrieb über die Vorschriften hinweg gesetzt hatten. Mit den ersten Befragungen am Dienstag kommt das Innenministerium (BMI) als möglicher Anstifter ins Spiel.
Wahlkarten aufgeschnitten, Stimmkuverts entnommen
Robert Stein, Leiter der Bundeswahlbehörde im BMI, hatte die ersten Bezirke, in denen Unregelmäßigkeiten bekannt geworden waren, selbst bei der Staatsanwaltschaft angezeigt – etwas später auch den Bezirk Wien-Umgebung, der am Dienstag ab 8.30 Uhr im Mittelpunkt stand. Die freiheitliche Beisitzerin staunte da am Montag um 9 Uhr nicht schlecht, als bei Beginn der Auszählung bereits alle Briefwahlkarten aufgeschnitten waren und die daraus entnommenen Stimmkuverts auf einem großen Haufen lagen. Auch diese waren teilweise bereits offen. Was ihr erst Tage später in den Sinn kam, sagte sie heute aus: Durch das Vorsortieren und Öffnen der Wahlkartenkuverts sei Missbrauch Tür und Tor geöffnet gewesen.
Arbeit unter Druck – aus dem Ministerium und vom Bezirkshauptmann
Sie habe diesen Umstand jedoch sofort zur Sprache gebracht – umso mehr als das Aufschneiden der Wahlkarten im ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl wie gesetzlich vorgesehen vor der gesamten Wahlkommission geschehen war. Der Wahlleiter habe ihr mitgeteilt, dass das Innenministerium Druck gemacht habe, weil bis 16 oder 17 Uhr ein Ergebnis vorliegen solle. Das sei sonst bei der großen Wahlkartenzahl im Bezirk (fast 11.000) nicht zu machen gewesen.
Der stellvertretende Bezirkswahlleiter, der am Montag nach der Stichwahl im Einsatz war, bestätigte ausgeübten Druck, verortete diesen jedoch beim Bezirkshauptmann. Ein Wahlbeisitzer der Grünen sieht das wiederum anders. Druck aus dem BMI sei „eigentlich gang und gäbe“ im Bezirk, weil es dort eben so viele Wahlkarten gebe. Persönlich habe er diesen Druck zwar nicht wahrgenommen, die Beamten hätten jedoch immer wieder berichtet.
Wann muss sich Wahlleiter Stein rechtfertigen?
Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass der Leiter der Wahlbehörde im BMI, Robert Stein, beim VfGH als Fragensteller und nicht als befragter Zeuge auftreten darf. Aber vielleicht ändert sich seine Rolle im Laufe des Verfahrens ja noch.
Wahlkarten auch in Hermagor vorzeitig geöffnet
Ebenfalls vorzeitig und ohne Anwesenheit der Beisitzer geöffnet wurden die Briefwahlkarten im Kärntner Bezirk Hermagor, wie die Befragungen ergaben. Dort jedoch war sicherlich nicht der Zeitdruck ausschlaggebend, denn es waren nur rund 1.700 Wahlkarten eingelangt. Der Bezirkshauptmann rechtfertigte sich damit, dass in der Vergangenheit immer wieder Wahlbeisitzer nicht erschienen seien und zudem ein Beschluss der Wahlkommission für diese Vorgehensweise vorhanden sei. Ob der von dem Juristen genannte Paragraph des Bundespräsidentenwahlgesetzes Vorarbeiten in diesem Umfang deckt, erscheint jedoch höchst fragwürdig
Landeck: Keine Unregelmäßigkeiten bestätigt
Nicht erhärtet hat sich der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten im Tiroler Bezirk Landeck. Der FPÖ-Beisitzer konnte den Termin als Zeuge beim VfGH nicht wahrnehmen, die übrigen Zeugen sagten aus, dass die Auszählung gesetzeskonform vonstatten gegangen sei.