Symboldbild: Die Schweizer stimmten über die Einführung des Vollgeldes, eine wahre Revolution im Geldwesen, ab.

12. Juni 2018 / 15:30 Uhr

Demokratie grenzwertig: Die Schweizer und das Vollgeld

Wieder einmal wurde am Sonntag das “Stimmvolk” in der Eidgenossenschaft zur Abstimmung gebeten. Das ist in der einzig wahren direkten Demokratie an und für sich nichts Ungewöhnliches – dennoch war dieser Sonntag sowohl auf Grund eines der abgestimmten Themen aber auch aus demokratiepolitischen Gründen einzigartig.

Gastbeitrag von Thomas Bachheimer

Die Schweizer stimmten nämlich über die Einführung des Vollgeldes, eine wahre Revolution im Geldwesen, ab. Aber der Reihe nach.

Grundsätzliches

Unser Geldwesen ist vor allem dadurch geprägt, dass die Geldschöpfung primär (ca. 90 %) durch Kreditvergabe der Geschäftsbanken stattfindet (Giral- oder Buchgeld) und nur 10 % wirklich von der jeweiligen Zentralbank geschaffen wird. Diese Tatsache bringt die Banken in die einmalige Situation, dass sie direkt an der Geldwerdung mitverdienen und zwar ordentlich. Das Volk bzw. der Staatsapparat schaut mehrheitlich durch die Finger. Da die Banken natürlich versuchen möglichst viel Geld zu verdienen, sind sie bei der Kreditvergabe vielleicht eher zu freimütig, was die Gefahr von Finanz- und Preisblasen in sich birgt. Wir erinnern uns an 2008.

Da der Platz für eine umfangreiche Erklärung des Geldsystems hier niemals ausreichen würde, können sich alle Interessierten unter https://bachheimer.com/fiat-money vertiefen oder die Begriffe “Giralgeld” und “Vollgeld” googlen. 

Was bedeutet Vollgeld?

Das sogenannte Vollgeld-System würde diesen Risiken Einhalt gebieten, indem die Geldwerdung rein in die Hände der Zentralbank gelegt werden würde, mit der Folge, dass der Staat/die öffentliche Hand an der Geldwerdung mitprofitieren könnten, was so wiederum jeden Bürger zu Gute käme. Die Initiatoren meinen zudem, dass das Geldsystem dadurch sicherer werden würde und Blasenbildungen an den Märkten somit unwahrscheinlicher – (hier stellt sich natürlich die Frage, wie die größere Sicherheit gewährleistet wird, wenn die Schweiz alleine dieses Geldsystem einführen würde). Weiters würden Banken an “Geldmacht” verlieren – höchste Zeit

Andererseits hält im Vollgeldsystem eine einzige Institution (Zentralbank) alle Geldzügel in der Hand. Dieser Umstand würde der ZB unglaubliche Macht verleihen und Macht in falschen Händen – oder wollen Sie etwa, dass Draghi Herr über 100 % der Geldmenge wäre?

Scheitern vorprogrammiert

Diese Initiative war aus mehreren Gründen zu von Anfang an zum Scheitern verurteilt, und wurde auch zu ? abgelehnt, weil sie

  1. viel zu komplex war. Das Geldsystem im Generellen, die Geldschöpfung im Speziellen und das Vollgeldsystem ganz besonders sind keine alltagsnahen Themen
  2. die Schweizer im Zweifelsfall eher mit Nein denn mit Ja stimmen und
  3. die Initiative zu radikal angelegt war, da sie das Geldsystem von Grund auf ändern würde. Für solche radikale Experimente ist das Stimmvolk der Schweiz eigentlich nicht zu haben, schon gar nicht dann, wenn es sich um den Schweizer Franken (der blinde König unter den Einäugigen) handelt, der trotz aller Maquetten ja vermeintlich noch funktioniert.

Die Initiatoren haben aus den oben genannten Gründen natürlich mit einer Ablehnung gerechnet, Medien, Politik und Bankenwelt auch. Erstere haben aber dieses Thema endlich einmal auf eine größere Ebene gebracht – und das war das Ziel. Viele Menschen sind alleine durch diese Initiative stärker aufgeklärt worden und sind sich nicht nur der Risiken mehr bewusst, sondern auch der Tatsache, dass es Alternativen zum heutigen unfairen Geldregime gibt.

Demokratie, nicht nur Recht sondern auch Verpflichtung

Aber nicht nur Geld-technisch hatte es diese Initiative in sich sondern auch demokratiepolitisch. Die Schweizer stimmen ja erfreulicher Weise über fast alles ab – oft sind es “nur” Gefühlsthemen manches Mal aber auch Komplexeres. Für fast jede Abstimmung muss man sich einlesen und ich habe in meinen 8 Jahren Schweiz erlebt, dass die Schweizer die direkte Demokratie nicht nur als Privileg, sondern auch als Verpflichtung ansehen (einer der Gründe, warum eine ad hoc-Einführung direkt-demokratischer Prozesse in Österreich nicht ganz so einfach ist wie mancher Politiker glaubt) Sie bereiten sich auf den Urnengang zum Großteil gut vor.

Die Grenzen der Demokratie

Aber die Vollgeld-Initiative hat wohl sehr viele der Eidgenossen bei Weitem überfordert. Ich beschäftige mich selbst seit 15 Jahren mit Geldregimen und Alternativen und könnte Ihnen heute noch nicht sagen, wie ich gestimmt hätte. Und wenn man jetzt mit diesem Thema nur wenig oder gar noch nichts zu tun hatte, dann kann man natürlich schnell überfordert sein. Und dem war auch so.

Ich habe 2 Wochen vor der Abstimmung in der eine Woche in der Schweiz verbracht und jeden Bekannten und auch Unbekannten nach seinem Abstimmungsverhalten gefragt. Und ob Sie es glauben oder nicht, keiner der ansonsten Demokratie-fitten Schweizer konnte mir sagen, wie er abstimmen würde bzw. ob er überhaupt teilnehmen werde.

In unseren Breiten wird jeder Bürger die Frage nach direkter Demokratie mit “Ja, wir brauchen mehr” beantworten, so auch der Autor dieser Zeilen. Diese Abstimmung hat aber gezeigt, dass (was ich mir bislang nicht vorstellen konnte) auch Themenbereiche gibt, die einfach nicht für den Volksentscheid geschaffen sind – und das sag ich als überzeugter Demokrat. In diesem Falle hatte die Schweiz das Glück, dass die Bürger Neues eher mit “Nein” beantwortet, weil es sich dort ja vortrefflich lebt – noch.

Ganz wertfrei zum Vollgeld:  man stelle sich nur einmal vor, so eine Abstimmung fände in einem Land mit mehrheitlich revolutionären Geistern statt, welche das Alte aus Prinzip los werden möchten. Man würde jahrzehntelang Bewährtes für das neue Unbekannte opfern, ohne genau zu wissen was dahintersteckt und wie radikal die Folgen sein sollten. Das Erwachen würde sehr oft ein Brutales sein.

Dies zeigt auch dem glühendsten direkt-Demokratie-Vertreter die Grenzen auf – sie ist KEINE Allzweckwaffe! Und trotzdem – was Besseres kenn’ ich auch nicht!

Zwar obliegt die Ausgabe von Banknoten schon heute ausschließlich der Schweizer Nationalbank (SNB). Der Löwenanteil des Geldes im Umlauf ist allerdings digitales Buchgeld. Dieses wird von den Geschäftsbanken etwa erst durch Kreditvergabe erschaffen und die entsprechende Summe auf einem Konto vermerkt. Die Vollgeld-Initiative möchte den Geschäftsbanken dieses Privileg aberkennen.

Befürworter kritisieren freizügige Kreditvergabe

Die Eidgenossen stimmen damit über ein Geldsystem ab, welches derzeit weltweit einzigartig wäre. Die Initianten erhoffen sich eine sichere Währung, da das Vollgeld damit dem Geldbesitzer gehöre. Folglich käme es bei Krisen einer Bank nicht mehr zu Kundenanstürmen, um ihre Konten rechtzeitig zu leeren.

Weiters seien Finanzkrisen weniger wahrscheinlich, da das Privileg zur Buchgeldschöpfung die Geldinstitute zu freimütiger Kreditvergabe verleite. Diese Praxis führe zur Gefahr von Preisblasen. Zusätzliches Geld wurde nicht mehr aus Schulden entstehen, sondern auf Initiative der Nationalbank. Dieses würde anschließend direkt an Bund, Kantone und Bürger direkt verteilt.

Thomas Bachheimer betreibt die Internetseite bachheimer.com – thinking outside the box.

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