Für Verwunderung sorgt der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit einem Urteil, das einen Feiertag für Angehörige der Evangelischen Kirche faktisch als Ungleichbehandlung wertete. Es geht um den Karfreitag, der nun im Fokus der Öffentlichkeit steht. Und man schiebt der Regierung die Schuld in die Schuhe, dass nun ein Feiertag gestrichen werde. Unzensuriert.at führt nun aus, wie es zu dieser Sachlage kam.
Klage wegen Feiertagszuschlag
Was war geschehen? Ein Arbeitnehmer einer privaten Detektei forderte eine Zahlung von 109,09 Euro zuzüglich Zinsen. Er begründete sein Begehren damit, dass er am 3. April 2015, einem Karfreitag, gearbeitet habe und für seine geleistete Arbeit das Feiertagsentgelt in diskriminierender Weise vorenthalten worden sei. Beim Arbeitnehmer handelt es sich aber nicht um einen Angehörigen der Evangelischen Kirche, für die der Karfreitag gemäß des Arbeitsruhegesetzes (ARG) ein gesetzlicher Feiertag ist. Er ist wie man Medienberichten entnehmen kann, Atheist.
Beim Verfahren vor dem EuGH war neben dem Kläger samt Anwalt und dem Arbeitgeber als Beklagten auch die Europäische Kommission, die österreichische, die italienische und auch die polnische Regierung beteiligt. Die polnische Regierung meinte, dass der EuGH überhaupt nicht zuständig sei, in dieser Frage zu entscheiden, da kein Unionsrecht betroffen sei. Der EuGH sah dies anders. Die Materie betreffe die Richtlinie 2000/78/EG als auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 21 – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.
EuGH gibt Kläger Recht
Der EuGH kommt jedenfalls zu einem verblüffenden Urteil. Der Kläger bekommt deswegen Recht, weil die Angehörigen der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche eine Sonderstellung haben, die anderen Gläubigen, die zugleich auch nicht der Katholischen Kirche angehören, eine entsprechende Feiertagsregelung nicht hätten.
Im EuGH-Urteil heißt es etwa:
Dazu ist festzustellen, dass, wie die österreichische Regierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bestätigt hat, der Möglichkeit für nicht den relevanten Kirchen im Sinne des Arbeitsruhegesetzes angehörende Arbeitnehmer, einen religiösen Feiertag zu begehen, der nicht mit einem der in § 7 Abs. 2 ARG aufgezählten Feiertage zusammenfällt, im österreichischen Recht nicht durch die Gewährung eines zusätzlichen Feiertags Rechnung getragen wird, sondern hauptsächlich mittels einer Fürsorgepflicht der Arbeitgeber gegenüber ihren Beschäftigten, aufgrund deren diese gegebenenfalls das Recht erhalten können, sich für die Dauer, die zur Befolgung bestimmter religiöser Riten notwendig ist, von ihrer Arbeit zu entfernen.
Das Urteil muss so verstanden werden, dass zum Beispiel muslimische Feiertage nicht im Arbeitsruhegesetz (ARG) berücksichtigt werden, deshalb sei es auch nicht gerechtfertigt, einer speziellen Religionsgruppe Rechte zu gewähren, die andere benachteiligen – vor allem im Hinblick auf Zuschläge für Arbeitnehmer.
Nicht alle Feiertage sind religiöse Feiertage
Man muss folgendes wissen: In Österreich gibt es zahlreiche Feiertage, von denen nicht alle gesetzliche Feiertag sind. Diverse Bundesländer haben auch sogenannte Landesfeiertage. Die Plattform Wikipedia zählt 22 Feiertage. Viele Feiertage sind automatisch aufgrund von Kollektivverträgen zusätzlich zu den gesetzlichen Feiertagen verankert.
Der Oberste Gerichtshof hat im Zuge des Sachverhalts festgehalten, dass alle der 13 in § 7 Abs. 2 ARG aufgezählten Feiertage mit Ausnahme des 1. Mai und des 26. Oktobers, die keinen religiösen Bezug haben, einen christlichen Bezug aufweisen, zwei davon einen ausschließlich katholischen Bezug. All diese Feiertage begründeten außerdem für alle Arbeitnehmer unabhängig von deren Religionsbekenntnis einen Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit.
Konkret heißt es im Arbeitsruhegesetz:
Feiertagsruhe
§ 7. (1) Der Arbeitnehmer hat an Feiertagen Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 24 Stunden, die frühestens um 0 Uhr und spätestens um 6 Uhr des Feiertages beginnen muß.
(2) Feiertage im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:
1. Jänner (Neujahr), 6. Jänner (Heilige Drei Könige), Ostermontag, 1. Mai (Staatsfeiertag), Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam, 15. August (Mariä Himmelfahrt), 26. Oktober (Nationalfeiertag), 1. November (Allerheiligen), 8. Dezember (Mariä Empfängnis), 25. Dezember (Weihnachten), 26. Dezember (Stephanstag).
(3) Für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche ist auch der Karfreitag ein Feiertag.
(4) Feiertage dürfen auf die wöchentliche Ruhezeit nur angerechnet werden, soweit sie in die Zeit der wöchentlichen Ruhezeit fallen.
(5) In Betrieben mit einer werktags durchlaufenden mehrschichtigen Arbeitsweise hat die Feiertagsruhe spätestens mit Ende der Nachtschicht zum Feiertag zu beginnen und darf frühestens mit Beginn der Nachtschicht zum nächsten Werktag enden.
(6) Ist für die Normalarbeitszeit (§ 3 Arbeitszeitgesetz) an Feiertagen Zeitausgleich vereinbart, so muß dieser mindestens einen Kalendertag oder 36 Stunden umfassen.
(7) Fällt ein Feiertag auf einen Sonntag, so sind die §§ 3 bis 5 anzuwenden.
Während die in Absatz 2 genannten Feiertage, die überwiegend katholische sind, für ALLE Religionsangehörigen gelten (auch Moslems, Juden etc.), gilt der Karfreitag eben nur für Protestanten. Das heißt auch, dass Zuschläge aufgrund von Arbeiten an einem Feiertag nur für jene Arbeitnehmer gelten, die eben in Absatz 2 genannten Feiertagen arbeiten. Der Karfreitag ist aus dieser Sicht eine Ungleichbehandlung.
Gesetzgeber unter Zugzwang
Was tun? Der Gesetzgeber hätte entscheiden können, dass jede einzelne Religionsgruppe gesetzliche Feiertage hat, wie das eben beim Karfreitag der Fall ist. Was heißt das? Der Karfreitag wäre weiterhin für Angehörige der Evangelischen Kirche frei. Allerdings müssten sie an jenen zwei derzeit gesetzlichen Feiertagen, die rein katholisch sind, arbeiten – ohne Anspruch auf einen Feiertagszuschlag zu haben – dies gilt auch für die anderen Religionsgruppen. In solch einem Fall wären jedenfalls zwei Feiertage für die Evangelische Kirche verloren gegangen, dafür der Karfreitag geblieben. Gesetzlich berücksichtigt werden müssten auch noch andere anerkannte Religionsgemeinschaften. Im ARG müssten also auch gesetzliche Feiertage für Moslems und Juden verankert werden.
Alle Arbeitnehmer gleich – unabhängig der Religion
Die Bundesregierung hat sich für eine andere Maßnahme entschieden. Der Karfreitag, der eben im Gegensatz zu allen anderen Feiertagen, bei denen Arbeitnehmer ALLER Glaubensrichtungen gleich berücksichtigt werden, nur eine bestimmte Glaubensrichtung bevorzugt, wurde gestrichen. Alles andere wäre weitaus mühsamer. Die EU mit ihrer Richtlinie 2000/78/EG als auch der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 21 – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf zwingt die Mitgliedstaaten zur vollen Gleichbehandlung der Arbeitnehmer. Diese zu ändern, dazu gibt es wahrscheinlich keine Mehrheiten.
Die Regierung hat nun einem Urlaubstag einen persönlichen Rechtsanspruch als Feiertag eingeräumt. Wenn an diesem Tage dennoch gearbeitet werden muss, bleibt der Urlaubstag erhalten, der Arbeitnehmer erhält aber eine Zulage – womit alle Religionsgemeinschaften berücksichtigt werden.
Zusätzlicher Urlaubstag nicht logisch
Wenig verwunderlich ist die Katholische Kirche zufrieden. Sie betrifft es ohnehin nicht. Die Evangelische Kirche nimmt es zähneknirschend zur Kenntnis und wollte einen zusätzlichen Urlaubstag. Wie soll das gehen? Einer Religionsgruppe einen zusätzlichen Urlaubstag? Das wäre diskriminierend. Ansprüche auf Urlaubstagen werden in der Regel auch in den Kollektivverträgen geregelt und ist somit Sache der Gewerkschaften. Eine zusätzlichen Urlaubstag für alle zu fordern, obwohl die überwiegende Mehrheit am Karfreitag keinen Feiertag hatte, erscheint auch nicht logisch.
Auch jüdischer Feiertag könnte diskriminierend sein
Dass auch der jüdische Feiertag Jom Kippur fallen muss, erscheint aus aktueller Sicht nur logisch. Dem EuGH-Urteil folgend dürfen Arbeitnehmer einer Religionsgruppe gegenüber einer anderen nicht bevorzugt werden. Das wäre ansonsten eine Diskriminierung. Was würde das denn sonst bedeuten? Nicht-jüdische Arbeitnehmer, die heuer am 8. Oktober Abends bis 9. Oktober Abends arbeiten, könnten entsprechende Rechte, die laut Generalkollektivvertrag für den Jom Kippur geregelt sind, geltend machen. Fällt der Jom Kippur nicht, droht die nächste Klage. Fraglich erscheint außerdem, inwieweit alle Nicht-Protestanten, die bis dato immer am Karfreitag gearbeitet haben, so wie der Kläger aktuell, Ansprüche geltend machen können.