Eigentlich wollte sie nur einen minderjährigen Buben vor den negativen Einflüssen des Glücksspiels schützen. Als eine Beamtin in der Essener Innenstadt allerdings eine Spielhalle kontrollierte und auf das berüchtigte Clanmitglied Bilal H. traf, drehte dieser völlig durch. Nun kam er allerdings ohne Strafe davon – weil das Gericht Angst hat, den Unmut der Bande auf sich zu ziehen.
Wüste Beschimpfungen ohne Folgen
Als die Dame gerade eine Glücksspielstätte kontrollieren wollte, fiel ihr der Sohn von “Pumpgun-Bilal” – wie der Beschuldigte auch intern genannt wird – auf. Sie wies den Mann auf das Verbot von Kindern beim Glücksspiel hin. Dieser fing aber gleich gar kein Gespräch mit ihr an, sondern zuckte verbal und physisch aus. Mit Worten wie “Schlampe” und “Verpiss dich, wenn ich dich hier noch einmal treffe, schlag ich dich kaputt” ging er mit erhobener Faust auf sie zu. Kurz bevor er zuschlagen konnte, stellten sich zwei Kollegen vor sie. Ein weiterer ziviler Ermittler hielt die Situation mit der Kamera fest und wurde ebenfalls von Bilal bedroht.
Zu einer Verhandlung kam es allerdings nie und wird es vermutlich auch nicht. Das Risiko, den Unmut der Familie auf sich zu ziehen, sei wohl zu hoch, wie es verschwurbelt in einer Stellungnahme heißt: “Um eventuelle bedrohliche Situationen zum Nachteil der geladenen Zeugen, der Vertreterin der Staatsanwaltschaft oder auch des Gerichts zu unterbinden”, werde kein Prozess stattfinden.
Angst vor Clans zu groß
Zuvor wurde der Beschuldigte bereits einmal zu 1.800 Strafe verurteilt, die er als offizieller Hartz-IV-Empfänger allerdings niemals bezahlte. Unter den Ermittlern ist jedoch klar, dass er von Diebstahl und Hehlerei lebt. In seinem Vorstrafenregister finden sich mehr als ein Dutzend Einträge, von unerlaubtem Waffenbesitz über Körperverletzung, Nötigung bis zur Beleidigung.
Justiz eingeschüchtert und überlastet
In der aktuellen Causa wurde ihm ein Strafbefehl über siebeneinhalb Monate auf Bewährung zugestellt. Als Clan-Mitglied kann er sich allerdings in Sicherheit wiegen. Es wird kaum gegen die kriminellen Großfamilien vorgegangen. Zu groß ist die Angst vor Vergeltung und mangelndem Personal, den immer stärker werdenden Sippen in Deutschland beizukommen.
Allein im Ruhrgebiet zählt man derzeit mehr als 100 Clans mit etwa 6.500 Tatverdächtigen in besagtem Millieu. Allein in den vergangenen zwei Jahren sollen sie mehr als 14.300 Straftaten begangen zu haben. In einem Großreport berichtet der Focus aktuell über die Hintergründe und Machenschaften der Clans.