Weißrussland ist in einer gefährlichen Lage, nämlich der Mittellage zwischen Russland und dem Westen.
Aktuelles Interview mit Weißrusslands Präsidenten
Sein Präsident Alexander Lukaschenko versucht sich seit Ausbruch des Ukraine-Krieges durch das verminte politische Gelände durchzulavieren. Gestern, Donnerstag, gab er einer oppositionellen ukrainischen Journalistin ein zweistündiges Interview, das eine neue Sicht auf den Krieg in seinem südlichen Nachbarland wirft.
Unbedingte Verteidigungsbereitschaft
So wirft er dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij feindselige Handlungen gegen Weißrussland vor. Kiew habe bereits Artilleriegeschütze an der gemeinsamen Grenze aufgestellt – mit Zielrichtung Weißrussland. Auch einen Wirtschaftskrieg habe die Ukraine gegen Weißrussland entfacht.
Und Lukaschenko stellte klar: Wenn Weißrussland angegriffen wird, egal von wem, werde man nicht wie Russland zögern, warten und warnen, sondern unverzüglich zurückschlagen.
Keine Kompromissbereitschaft bei Kiew und Westen
Den Krieg in der Ukraine hält Lukaschenko für inszeniert. Seiner Meinung nach hätte man ihn im Vorfeld verhindern können und könne ihn auch jetzt jederzeit beenden. Russland habe seit 2014 zahlreiche Lösungs- und Kompromissvorschläge unterbreitet, doch von westlicher beziehungsweise ukrainischer Seite kam und käme stets nur ein Nein. Das Minsker Abkommen wäre nur von Russland erfüllt worden.
Ukraine und die Nadelstiche
Nach der Frage, ob Lukaschenko unter Druck gesetzt worden wäre, die Zugehörigkeit der Krim zu Russland und die Unabhängigkeit Abchasiens anzuerkennen, reagierte Lukaschenko schroff. Eine solche Forderung habe Putin nie erhoben. Letztere sei ja nicht verrückt, er habe auch keine imperialen Ambitionen, so der weißrussische Präsident.
Russland wolle die Ukraine weder „versklaven“ noch ihre Unabhängigkeit antasten. Aber die Ukraine mache Russland und Weißrussland bewusst und berechnend ständig Schwierigkeiten.
Freund Vladimir Putins
Lukaschenko war und ist im Westen immer als Freund Russlands bekannt gewesen. 2020 sah er sich daher mitten in einem groß angelegten Versuch, mithilfe einer Farbenrevolution einen Regimewechsel in Minsk durchzusetzen.
Vom bevorstehenden Angriff Russlands auf die Ukraine wusste Lukaschenko nichts. Nur so viel: Russlands Präsident Vladimir Putin habe ihn kurz davor gebeten:
Falls irgendetwas passieren sollte, halte mir bitte den Rücken frei.
Ukrainische Gegenoffensive gescheitert
Doch Russland habe die Stimmung in der Ukraine falsch eingeschätzt, sagte der weißrussische Präsident. Doch Putin habe gelernt, er sei weiser und listiger geworden, so Lukaschenko. Seine Armee habe neue Waffen, genügend Drohnen und eine 250.000 Mann starke Reserve. Deshalb werde die Ukraine auch nicht mehr lange durchhalten können. Die russische Armee habe sich regeneriert und neu erfunden. Die ukrainische Offensive sei gescheitert, die Verluste gigantisch.
Wie die Washington Post unter Berufung auf US-Geheimdienste berichtet, dürfte die ukrainische Armee aktuell keine Chance mehr haben, die Krim zu erreichen. Das gilt als Schlüsselziel der laufenden Gegenoffensive. Die strategisch wichtige Stadt Melitopol, das „Tor zur Krim“, könne nicht eingenommen werden.
Rekrutierungsprobleme
Gleichzeitig dürfte Kiew Probleme mit der Kampfbereitschaft haben. In einer Rekrutierungskampagne ruft Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar alle Bürger im wehrfähigen Alter dazu auf, ihre Pflicht zu tun. Maljar betont, dass nicht alle, die sich bei den Einberufungsbehörden melden, automatisch eingezogen würden und auch nicht alle Eingezogenen im Kampfgebiet zum Einsatz kämen.