Wer ein Leben lang Angehörige pflegt, muss damit rechnen, eine unwürdig niedrige Pension zu erhalten. Das ergaben Daten aus einer parlamentarischen Anfrage der freiheitlichen Seniorensprecherin Rosa Ecker (Bild).

30. März 2023 / 14:46 Uhr

40 Jahre behindertes Kind gepflegt: Mutter stehen nur knapp 1.000 Euro Pension zu

Man stelle sich folgende Fiktion vor: Eine Mutter, geboren am 31. Dezember 1963, bringt am 2. Dezember 1983 ein behindertes Kind zur Welt. Bald wird klar, dass das Kind eine derartige Einschränkung hat, dass sich die Mutter voll darum kümmern muss, ohne einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Wenn überhaupt, schafft es die Mutter, eine geringfügige Beschäftigung zu ergreifen, mit der sie aber keine Versicherungszeiten für ihre Pension erwirbt.

Selbstversicherung nach § 18a ASVG

Jedoch sieht das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) vor, dass ein Familienangehöriger, der sein Kind pflegen muss, sich selbst versichern darf. Die Kosten dafür übernimmt die öffentliche Hand. Geregelt ist das im § 18a ASVG.

Was würde dies für das fiktive Beispiel bedeuten? Die Frau bekommt in den Jahren 1984 bis 1987 Kindererziehungszeiten im Ausmaß von 48 Monaten gutgeschrieben. Im Anschluss versichert sie sich in den Jahren 1988 bis inklusive 2023 – also 432 Monate – selbst nach § 18a ASVG. Bei Pensionsantritt im Jänner 2024 würde diese Frau mit 480 Versicherungsmonaten (also 40 Versicherungsjahren) eine Pension in Höhe von 954 Euro pro Monat erhalten. Das ist ein Wert, der unter der Ausgleichszulage liegt.

Verheiratet oder nicht?

Der Anspruch auf eine Ausgleichszulage beziehungsweise auf einen Pensions- oder Ausgleichszulagen-Bonus wird zu prüfen sein. Die Mutter würde auf 1.110 Euro Pension kommen, wenn ihr die Ausgleichszulage zusteht. Wenn sie aber verheiratet ist, kann es sein, dass sie keine Ausgleichszulage bekommt, wenn der Ehemann sich eine ausreichend hohe Pension erarbeitet hat beziehungsweise dem Mann die Ausgleichszulage oder der Ausgleichszulagen-Bonus (bei entsprechend hoher Anzahl an Versicherungszeiten) zusteht.

FPÖ-Ecker deckte Daten auf

Dieses fiktive Beispiel konnte die freiheitliche Seniorensprecherin und Nationalratsabgeodnete Rosa Ecker durch eine parlamentarischen Anfrage an den Sozialminister in Erfahrung bringen. Und sie kann mit weiteren Daten aufwarten: Im Dezember 2022 gab es in Österreich 4.448 Mütter, die ein behindertes Kind gepflegt und die Selbstversicherung in Anspruch genommen haben. Betroffene Väter gab es nur 157.

Selbstversicherung nach § 18b ASVG

Es gibt außerdem den § 18b ASVG, der ebenfalls für pflegende Angehörige zur Anwendung kommt, wenn sie volljährige Familienangehörige pflegen. Also etwa, wenn eine Ehefrau ihren Ehemann pflegen muss. 7.326 Frauen nutzten hier die Möglichkeit der Selbstversicherung. Umgekehrt waren es 1.192 Männer.

Dritte Variante: Die Weiterversicherung

Beide Selbstversicherungsformen erlauben, dass die pflegenden Angehörigen erwerbstätig sein dürfen – auch über der Geringfügigkeitsgrenze. Die dritte Variante als Weiterversicherung allerdings ermöglicht es pflegenden Angehörigen, ihre Erwerbstätigkeit aufzugeben, wenn zuvor ausreichend Versicherungsmonate erworben worden sind. Allerdings ist eine geringfügige Beschäftigung weiterhin zulässig. Es gab aber mit Stand Dezember 2022 in Österreich nur 96 Frauen und 23 Männer, die diese Variante in Anspruch genommen haben.

Wie viele Versicherungszeiten werden erworben?

Interessant ist auch der Umstand, wie viele Versicherungszeiten durchschnittlich erworben worden sind. So gibt es etwa 244 Mütter, die mit Stand Dezember 2022 zwischen 96 und 100 Versicherungsmonate erworben haben, weil sie ihre behinderten Kinder gepflegt hatten. Es gibt allerdings auch neun Mütter, die derzeit mindestens 346 Versicherungsmonate über die Selbstversicherung erworben haben. Im Durchschnitt erwerben Frauen 122,1 Versicherungsmonate.

In Sachen § 18b ASVG liegt der Höchststand bei 603 Frauen, die zwischen 16 und 20 Versicherungsmonate erworben haben. Und hier liegt der Durchschnitt der Versicherungsmonate, die Frauen erwerben, bei 59,7 Monaten.

Welche Kosten hat der Staat?

Im Jahr 2021 wurden von der öffentlichen Hand für Fälle von pflegenden Angehörigen, die behinderte Kinder gepflegt haben, fast 51 Millionen Euro für die Versicherungszeiten finanziert.

Mehr als 54 Millionen Euro betrafen die Leistungen nach § 18b ASVG. 777.576,04 Euro wurden 2021 für die Weiterversicherung finanziert.

Erwerbstätig trotz Pflegetätigkeit

Wie bereits erwähnt, können pflegende Angehörige trotz Selbstversicherung weiterhin erwerbstätig bleiben. Sie nehmen faktisch eine doppelte Belastung in Kauf. 1.946 Versicherte nach § 18a ASVG gingen weiterhin arbeiten. 498 von ihnen waren geringfügig beschäftigt. Wiederum 3.661 Versicherte nach § 18b ASVG gingen arbeiten, 714 davon geringfügig. Und vor allem waren es überwiegend Frauen, die erwerbstätig waren. In Sachen Weiterversicherung gab es nur 13 Fälle, die noch erwerbstätig waren. Und wie bereits angeführt, erlaubt die Weiterversicherung nur eine geringfügige Beschäftigung.

Fazit: Pflege ist unbestritten weiblich

Abschließend kann gesagt werden, dass überwiegend Frauen sich als pflegende Angehörige versichern lassen. Pflege ist unbestritten weiblich. Und viele der Frauen gehen trotz ihrer Pflegetätigkeit weiterhin arbeiten. Letztendlich müssen sie langfristig mit einer unwürdig niedrigen Pension rechnen, obwohl der Staat recht hohe Summen in Versicherungszeiten investiert. Der Form halber muss erwähnt werden, dass es weitaus mehr Pflegefälle gibt. Wie das Sozialministerium selbst bestätigt, ist aus Studien bekannt, dass die Kenntnis der Betroffenen über die unterschiedlichen Unterstützungsangebote oft nur in geringem Maße vorliegt.

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