Wenngleich die Entscheidung schon ein Jahr alt ist und medial kaum wahrgenommen worden ist: Sie zeigt, wie sehr in der EU beschlossene Gesetze den Ausländern in die Hände spielen. Es ist ein Urteil (C‑432/20) des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das nicht nur Wiens Bürgermeister Michael (SPÖ) wenig geschmeckt haben dürfte.
Ludwig ist nicht nur Bürgermeister, sondern auch Landeshauptmann und somit eine Behörde, wenn es um die Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) geht. Wenngleich formal die MA 35 als Einwanderungsbehörde sämtliche Anträge abwickelt, wurde der Landeshauptmann von Wien als Beklagter in einem Verfahren angeführt, das vor dem EuGH gelandet war.
Kasache war in fünf Jahren nur wenige Tage in Österreich
Ein kasachischer Staatsangehöriger wehrte sich gegen die Ablehnung seiner Verlängerung seiner langfristigen Aufenthaltsberechtigung. Der Beschwerdeführer, dem von der MA 35 Anfangs dieser Aufenthaltstitel ausgestellt worden war, war im Zeitraum von August 2013 bis August 2018 nur wenige Tage pro Jahr im Unionsgebiet anwesend. Anders gesagt, er befand sich fast die ganze Zeit in zumindest einem Drittstaat. Deshalb wollte die Behörde seinen Aufenthalt nicht verlängern. Dieser wäre ihm dann entzogen worden.
Attraktive Sozialhilfe?
Zuletzt bekannt war außerdem, dass der Mann sowie seine Ehefrau und ihre vier minderjährigen Kinder auf Basis britischer Aufenthaltstitel mit mehrjähriger Gültigkeitsdauer im Vereinigten Königreich niedergelassen seien. Der Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens wollte sich jedoch wieder in Österreich niederlassen und plante, dass seine Familienangehörigen im Rahmen der Familienzusammenführung nachzögen. Anscheinend gefielen ihm die österreichischen Sozialleistungen – und vor allem jene in Wien – besser als jene des Vereinigten Königreichs.
Obwohl der Kasache faktisch nie in Österreich war, sah der EuGH kein Problem darin, dass er seinen Aufenthaltstitel verlängern und daher behalten darf. Dies ist vor allem den sinnlosen EU-Gesetzen geschuldet. Die Richtlinie 2003/109, auch bekannt als Daueraufenthaltsrichtlinie für Drittstaatsangehörige, besagt, dass ein Daueraufenthalt eines Drittstaatsangehörigen nur dann entzogen werden darf, wenn der Fremde sich während eines Zeitraums von zwölf Monaten nicht im Unionsgebiet aufgehalten hat. Dies wurde auch im NAG verankert. Nachdem der Kasache im Zeitraum von fünf Jahren nur wenige Tage in Österreich war, dabei aber immer in einem Zeitraum von zwölf Monaten einen Aufenthalt von wenigen Tagen im Unionsgebiet hatte, darf ihm der Aufenthaltstitel nicht entzogen werden.
Nehammer kann sich brausen gehen
Übrigens: In der EU-Richtlinie ist festgehalten, dass sich Irland, das Vereinigte Königreich aber auch Dänemark nicht an diesen Gesetzen beteiligten und daher diese auch nicht anwenden. Dies dürfte ein Indiz dafür sein, dass Dänemark Drittstaatsangehörige anders behandeln darf – auch beim Bezug von Sozialleisten. Das macht in diesem Zusammenhang das Thema aktuell.
Bundeskanzler Karl Nehammer beschwört seit einiger Zeit das dänische Modell, das gekürzte Sozialleistungen für Drittstaatsangehörige vorsieht. Da aber Österreich verpflichtet ist, die EU-Richtlinie anzuwenden, klingen Nehammers Forderungen beim Bürger zwar wohlwollend. Faktisch kann sich der ÖVPler mit seinen Forderungen aber brausen gehen, da er das EU-Recht – anders als Dänemark – einhalten muss.