In dem Umgang der slowakischen Regierung um den Status der ungarischen Minderheit kommt es mit der ungarischen Regierung immer wieder zu Spannungen. Nun hat Budapest einen Erfolg erzielt – unzählige Straßenschilder müssen in allen Gemeinden, in denen mindestens 15 Prozent Ungarn leben, auch auf Ungarisch beschriftet werden.
Deutlich weitergehend als gewöhnlich
Bisher galt dies nur für die Ortstafel am jeweiligen Ortseingang und Ortsausgang, wie man es heute aus zahlreichen Regionen Europas kennt. So ist es zum Beispiel in den deutschsprachigen Gemeinden in Oberschlesien geregelt (hier liegt die Hürde allerdings bei 20 Prozent Deutschenanteil).
In der Slowakei müssen nun in allen Gemeinden, in denen mindestens 15 Prozent Ungarn leben, auch alle anderen Schilder, auf denen der Ortsname vorkommt, zweisprachig sein, zum Beispiel Schilder auf Landstraßen oder Autobahnen. Auch Schilder mit Flussnahmen fallen unter das neue Gesetz. Normale Straßenschilder sind hingegen ausgenommen.
Orbán steht hinter Minderheitenparteien
Vertreter der ungarischen Minderheitenparteien setzten sich für das neue Gesetz ein. Sie sind zwar seit der Wahl 2020 erstmals nicht im Parlament vertreten, üben jedoch großen Druck auf die slowakischen Parteien aus.
Insbesondere die größte, die „Partei der ungarischen Gemeinschaft“, kann als Ableger der Fidesz-Partei von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán betrachtet werden. Sie schaffte es 2020 mit 3,9 Prozent nur knapp nicht ins Parlament. Wie die ungarischsprachige Felvidék berichtet, überzeugte Ungarn über ihre Minderheitenpolitiker die slowakischen Parteien, den außerparlamentarischen Antrag nicht nur im Parlament einzubringen, sondern ihm auch zuzustimmen.
Spannungen zwischen Ungarn und Slowakei
Zwischen der Slowakei und Ungarn herrscht abseits von der EU-Politik eine verstärkt angespannte Stimmung. Zuletzt hatte sich die slowakische Regierung massiv beschwert, dass höchste ungarische Politiker ohne Ankündigung in die Slowakei einreisten und auf offiziellen Veranstaltungen in mehrheitlich ungarisch bewohnten Gemeinden politische Reden hielten.
Die Ungarn hingegen wollen, wie unzensuriert berichtete, als Grundvoraussetzung eines Dialogs eine Entschuldigung für die mörderischen Beneš-Dekrete, die immer noch formell in Kraft sind und die zur Vertreibung von fast drei Millionen Deutschen und die Ermordung von 300.000 Deutschen und 100.000 Ungarn führten.
Alte Debatte nach wie vor aktuell
Hintergrund der Debatte ist, dass die Slowakei als selbständiger Staat erst seit 1990 existiert (mit Ausnahme der Slowakischen Republik 1939 bis 1945). Zuvor gehörte das Gebiet bis 1921 rund 1.000 Jahre lang zum Königreich Ungarn, anschließend zur tschechisch dominierten Tschechoslowakei. Wie unzensuriert berichtete, wird in konservativen Kreisen Ungarns (inklusive in Regierungskreisen) die Slowakei bis heute nur „Felvidék“ (auf Deutsch: Oberland, historische Bezeichnung für Nordungarn) genannt. Im Süden der Slowakei leben heute immer noch rund 500.000 Ungarn, was etwa neun Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Orbán versucht, diese Landsleute im ungarischen Einflussbereich zu halten, während sich die Slowakei vehement dagegen wehrt. Die Annahme des Antrags zu der Beschilderung in Gemeinden mit vielen Ungarn ist ein Zugeständnis der Slowakei an Ungarn – und ein Erfolg Orbáns.