Die Razzien im Umfeld von Sebastian Kurz gestern, Mittwoch, haben die Republik erschüttert. Noch nie zuvor wurde das Büro von einem amtierenden Bundeskanzler und einem amtierenden Finanzminister durchsucht. Unzensuriert liegt die Anordnung der Staatsanwaltschaft an das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) mit der Zahl 17 St 5/19d zur „Durchsuchung und Sicherstellung“ vor. Die Verdachtslagen gehen in Richtung Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit.
Zehn Verdächtige
In dieser Anordnung werden zehn Verdächtige genannt, darunter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der ehemalige Generalsekretär und Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid und Österreich-Herausgeber Wolfgang Fellner. Allerdings befinden sich auch die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin, Kanzlersprecher Johannes Frischmann, Medienbeauftragter Gerald Fleischmann, ÖVP-Berater Stefan Steiner, der bei Österreich für kaufmännische Belange zuständige Bruder von Wolfgang Fellner, Helmuth Fellner, ein Finanzministeriumssprecher sowie eine weitere Meinungsforscherin im Fokus der Ermittler. Zudem werden die ÖVP und die Mediengruppe Österreich nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) als Verdächtige geführt. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Budgetäre Mittel für parteipolitische Zwecke
Die WKStA geht davon aus, „dass zwischen den Jahren 2016 und zumindest 2018 budgetäre Mittel des Finanzministeriums zur Finanzierung von ausschließlich parteipolitisch motivierten, mitunter manipulierten Umfragen eines Meinungsforschungsunternehmens im Interesse einer politischen Partei und deren Spitzenfunktionär(en) verwendet wurden“.
In der „ZIB2“ am Mittwoch versuchte Sebastian Kurz, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen und meinte:
Was ich nicht nachvollziehen kann, ist, dass ich dafür schon wieder verantwortlich sein soll.
Eine Frage der Glaubwürdigkeit
Die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle analysierte dann in der „ZIB Nacht“ den Auftritt von Kurz und sagte, dass sich Kurz bei seiner Verteidigung vor allem auf die strafrechtliche Ebene konzentriere – und da sei es tatsächlich sehr schwer, einen Zusammenhang sowohl bei den Korruptionsvorwürfen, als auch bei der Untreue festzustellen. Weiter sagte sie:
Aber die Frage ist dennoch, ist es wirklich glaubwürdig, dass Kanzler Kurz nichts gewusst hat, was seine heute engsten Mitarbeiter damals gemacht haben.
“Veritabler Schaden” für die ÖVP
Stainer-Hämmerle wies auf das verheerende Sittenbild der Kurz-ÖVP hin. Sie schloss aus, dass Kurz selbst den Hut nehmen werde, auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen würde sich nicht einmischen wollen. Als Rücktrittsmöglichkeiten räumte sie ein, dass die ÖVP in Kurz inzwischen einen „veritablen Schaden“ sehe, oder dass die Grünen als Koalitionspartner einen Schlussstrich ziehen würden.
“Das ist schon eine andere Dimension”
Ob die Grünen tatsächlich das Zünglein an der Waage sind, könnte gar nicht mehr von Entscheidung sein. Vefassungsexperte Heinz Mayer sagte gegenüber der Kronen Zeitung:
Sollten sich die Vorwürfe erhärten, dann stellt sich die Frage nicht mehr, ob Sebastian Kurz als Bundeskanzler noch tragbar ist.
Ebenfalls in der Krone findet Politikexperte Thomas Hofer klare Worte:
Es gilt für alle die Unschuldsvermutung. Aber was man liest, ist das schon hochexplosiv. Scheinrechnungen aus dem Finanzministerium für mutmaßlich gekaufte Berichterstattung. Das ist schon eine andere Dimension als eine Falschaussage vor dem Ausschuss.